Pflegeheime, man muss die Spreu vom Weizen trennen

Die Bundesregierung hat mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz zum 1.1.2017 den Eigenanteil, den ein Bewohner bezahlen muss, wenn er in einem Heim gepflegt wird, für alle Pflegegrade gleich gemacht, er heißt jetzt Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE). (Hinweis: Diejenigen, die diesen Anteil aus eigenen Mitteln nicht mehr finanzieren können, werden vom Sozialamt unterstützt.) Der „Versicherungsbote“ schreibt dazu: „Der Eigenanteil für die Unterbringung im Pflegeheim steigt weiter an. Allein seit Januar 2018 kletterten die durchschnittlichen Kosten um knapp 80 Euro auf 1.830,84 Euro im Monat“. In einem Vergleich der 16 Bundesländer wird in dem Artikel der niedrigste durchschnittliche EEE mit 1209,46 €  in  Mecklenburg-Vorpommern und der höchste mit 2325,55 €  in NRW berechnet. Was sagt aber die Differenz von über 1100 Euro monatlich über die Qualität in einem Heim aus, ist teurer gleich besser, oder billiger gleich schlechter? In den Heimen in Baden Württemberg z.B. mit einem durchschnittlichen EEE von 2098,36 Euro, kommen auf 100 Bewohner 41,5 Stellen Pflegepersonal, im Vergleich dazu sind es in Mecklenburg Vorpommern 31,7 Stellen. An diesem Beispiel wird deutlich, Einrichtungen mit mehr Pflegepersonal sind teurer, denn mehr Personal heißt höhere Kosten, aber es steht auch mehr Zeit für den einzelnen Menschen zur Verfügung. Für einen geringeren Preis spricht vielfach aber auch die Tatsache, dass die Mitarbeiter in solchen Häusern schlechter bezahlt werden.                                                                                      Neben der Pflege muss ein Heimbewohner natürlich auch für seine Unterkunft und die Verpflegung bezahlen, diese Leistungen müssen ebenfalls genauer betrachtet und bewertet werden. Bezahlt man z.B. in einer Einrichtung in Mecklenburg Vorpommern für das Wohnen, die Reinigung, die Wäsche und die Verpflegung 627 Euro im Monat und in einem Haus in Baden Württemberg 1419 Euro, ist sicher die Frage berechtigt, wo liegt genau der Qualitätsunterschied? Gibt es ein abwechslungsreicheres Essen, wie häufig wird das Zimmer geputzt und ist es evtl. größer, besser ausgestattet, welche Gemeinschaftsräume stehen zur Verfügung und vieles mehr.

Der Preis ist also die eine Seite, ist er aber auch berechtigt, bildet der Preis die Qualität eines Pflegeheims ab? Da 50 bis 60 % der Heimkosten Personalkosten sind, kann man erst einmal davon ausgehen, dass höhere Preise ein Indiz für mehr Personal sind, das möglicherweise auch besser bezahlt wird. Es gibt aber viele Kriterien, die über den Preis hinaus, Aussagen über die Qualität einer Pflegeeinrichtung ermöglichen. Feststellen kann man das allerdings am Besten, wenn man sich das Haus genau ansieht, sich dort auch eine Weile aufhält, mit Mitarbeitern spricht, beim Essen dabei ist und Fragen stellt. Einrichtungen die das ablehnen und sich nicht offen zeigen, sollte man schon mit Vorsicht betrachten. Ist man unsicher und weiß nicht, wie man vorgehen soll, ist es ratsam einen externen Berater mit hinzuzuziehen, der die Materie kennt und auch kritische Fragen stellen kann. Es gibt gute Pflegeeinrichtungen, aber auch viele schlechte, deshalb muss man die Spreu vom Weizen trennen. Haben sie Fragen, dann dürfen sie sich gerne melden www.schrey.net

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Digitalisierung in der Pflege, Fluch oder doch lieber Segen

Alle reden von der Digitalisierung in der Pflege, jahrelanger war das Thema ein Stiefkind, jetzt soll alles ganz schnell gehen. Die Bundesregierung will es fördern, wie immer mit Beträgen die dem Haushalt nicht weh tun, aber der Praxis auch nicht helfen. Deshalb kann man nicht darauf warten, bis Politik ein paar „Förder-Euro“ausgeben will. Die Evangelische Heimstiftung in Stuttgart zeigt seit Jahren wie es gehen kann und nimmt z.B. mit seinem Projekt „Aladin in Labor und Praxis“ auch die Menschen mit auf den Weg, sie können die Technik erproben und werden schrittweise herangeführt. Es sind aber viel zu wenige Träger, die so offensiv an das Thema Digitalisierung in der Altenhilfe herangehen.

Eine Vision, die elektronische Bewohnerakte
Träumen wir einmal und stellen uns eine Digitale Welt in der Pflege vor, in der der „gläserne Bewohner“ im Mittelpunkt steht. Gläserner Bewohner, der Begriff schreckt ab, aber digitale Techniken, die die Arbeit der Altenhilfe erleichtern würden, gibt es heute schon. Also nennen wir es eine Vision, dass alle Einrichtungen für jeden Bewohner eine elektronische Bewohnerakte haben, in die alle relevanten Daten einfließen und die als Mittelpunkt eines umfangreichen und aktuellen Daten- und Informationspools dient. Die Daten werden von den Pflege- und Betreuungskräften ebenso wie den behandelnden Ärzten, Physiotherapeuten und administrativen Mitarbeitern zusammengetragen. Die Datenerfassung erfolgt durch die Pflegekräfte mobil, mit Geräten, die mit Kamera und Spracherkennung ausgestattet sind, die Spracherkennung kann außerdem verschiedene Sprachen übersetzen, sodass auch die Kollegen/innen mit Migrationshintergrund es unkompliziert nutzen. Von den Essenwünschen über die ersten Rötungen eines beginnenden Dekubitus bis zu Rückmeldungen z.B. an die Angehörigen, wird alles dokumentiert. Eine weitere Datenquelle ist ein Armband, das der Bewohner trägt, es übermittelt die Vitalwerte und Ergebnisse der jeweiligen Medikamentenbehandlung (Beispiel: www.aparito.com), gleichzeitig ist es auch in der Lage, bei dementen Bewohnern zu signalisieren wenn sie das Haus verlassen. Ein sensorisches Pflegebett misst regelmäßig das Gewicht des Bewohners und gibt sofort einen Hinweis bei problematischen Abweichungen, es wird die Körpertemperatur gemessen und sollte der Bewohner in der Nacht sehr unruhig werden, bekommt der Nachtdienst ebenfalls einen Hinweis. An fest montierten Tablets auf Fluren und öffentlichen Bereichen, sind alle Daten auch überall abrufbar und gegen Missbrauch durch persönliche Identifikation geschützt, bekannt als Kellnerschlüssel von Restaurantkassen.

Digitalisierung kann auch Segen sein
Viele digitale Netzwerke begegnen uns tagtäglich, vom DHL Dienst bis zum Orderman im Restaurant nutzen wir sie für relevante Informationen, die wir zeitnah und an unterschiedlichen Orten abgeben oder erhalten. Also, warum in der Altenpflege Daten schriftlich oder durch eintippen in den Computer zeitaufwendig erfassen und dokumentieren, wobei die Fehlerquote noch hinzukommt. In digitalen Systemen werden die Daten automatisch erfasst, mit dem Armband, im Pflegebett oder alle beweglichen Informationen mit der mobilen Spracherfassung. Die Erleichterungen für die Mitarbeiter sind umfangreich, alle regelmäßigen, gesundheitlichen Checkups werden automatisch zu festen Zeiten, zuverlässig durchgeführt, die Gewichtskontrolle ist automatisiert und viele Wege und zeitlich aufwendige Messungen und Kontrollen, übernimmt dann das System. Konsequenz, z.B. keine Wiegelisten mehr, automatische Gewichtskurven und Signale bei Abweichungen, Blutdruck Kontrollen, oder Diabetiker Werte mit aktuellen Rückmeldungen, aber auch die beteiligten Ärzte erhalten alle gesundheitlichen Messdaten automatisch und können bei Veränderungen zeitnah reagieren, Apotheken liefern die rezeptierten Medikamente, bei einer Krankenhauseinweisung erhält die Klinik automatisch alle wichtigen Daten und die Angehörigen werden, wenn gewünscht, über wichtige Entwicklungen ihres Verwandten sofort informiert und das sind  nur einige der vielfältigen Möglichkeiten. Was für eine Zeitersparnis und wenn mehr Einrichtungen die Systeme nutzen würden, könnten auch Änderungswünsche und weitere Entwicklung schneller umgesetzt werden.

Der Krankenwagen ist besser als die Pferdekutsche
Mitarbeiter in der Pflege finden ihre Motivation für diese Arbeit vielfach in dem zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekt und haben Angst vor technischer Unterstützung. Die Ethik Diskussion gehört deshalb begleitend zu diesem Thema. Es ist eine grundlegende Wende, der die gesamte Altenhilfe sich stellen muss und das verunsichert natürlich auch, denn sonst wäre der Einsatz der Digitaltechnik heute selbstverständlich. Wilhelm II hat einmal gesagt: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Wie froh sind wir heute, wenn der Krankenwagen schnell kommt und wir nicht auf die Pferdekutsche warten müssen. Altenpflege braucht aber unbedingt den nächsten Schritt in die Digitalisierung um diese Technologie in der täglichen Arbeit selbstverständlich zu nutzen. Es muss aber auch ganz klar sein, die Zeitersparnisse sind keine für den Träger verfügbare Masse, die frei werdenden Ressourcen werden ausschließlich für die zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekte gebraucht, dann ist auch der Altenpfleger wieder bei seiner Profession .

 

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Außer Spesen nichts gewesen.

Es ist immer einfach in einer Funktionärsposition, wenn das Kind in den Brunnen fällt, öffentlich kund zu tun, dass man schon lange davor gewarnt hat und weiß, was zu tun gewesen wäre. Alle Funktionäre von Fachverbänden, Landesverbänden, Bundesverbänden für Pflege und Pflegeberufe sitzen im gleichen Boot und haben die Entwicklung gesehen und immer nur gewarnt!

Worum geht es? Alle Gesetzesänderung der letzten 15 Jahre in der Pflege hatten immer das Ziel, dem Kind „Pflege“, das am Brunnenrand stand, z.B. eine Brille aufzusetzen, damit es sehen konnte, wie nah es schon am Brunnenrand stand (Pflege-Qualitätssicherungsgesetzt), ihm ein Butterbrot in die Hand zu geben (Pflege-Weiterentwicklungsgesetzt), ein Pflaster auf das Knie zu kleben (Pflege-Neuausrichtungsgesetz)  oder auf das Butterbrot noch eine dünne Scheibe Wurst zu legen und ihm damit den Mund zu stopfen (Pflegestärkungsgesetz), damit es vor lauter Kauen nicht sieht, wie der eine Fuß schon in die Tiefe des Brunnens zeigt. Viele haben gerufen: „Seht, das Kind fällt gleich in den Brunnen“, aber keiner hat es vom Rand weggeholt. Ist das unterlassene Hilfeleistung?

Heute beteuern alle „wir haben das doch schon immer gesagt“, aber gehandelt haben lediglich vorausschauende Praktiker in ihrer unmittelbaren Verantwortung, denn sie haben schon lange gesehen, wohin die Reise geht. Sie haben ausgebildet (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben), die Schülerzahlen erhört (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben), sich in Fachseminaren engagiert (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben) und hätten gerne mehr gemacht. Das Ergebnis, viele der Schüler blieben nach der Ausbildung in den Einrichtungen, da die Pflegesätze aber nicht mehr kostendeckend waren, mussten Gehälter eingefroren oder gar gekürzt werden und das machen Fachkräfte verständlicherweise nur begrenzt mit. Die Fachkraftquote mit 50% konnte über viele Jahre hinweg gehalten werden, aber bei den knappen Stellenschlüsseln verringert sich die Einsatzbereitschaft, wenn z.B. in einer Pflegegruppe mit 30 Pflegebedürftigen und 4 Mitarbeitern nur eine Krankmeldung die Pflege-Zeit im Frühdienst um 25% reduziert. Die Belastungsspirale ist vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und das kann man nur eine gewisse Zeit aushalten, dann steigt die Krankheitsquote weiter nach oben. Diesen Circulus virtuosus können selbst gut geführte Einrichtung und Träger mit den Mitteln, die ihnen offiziell zur Verfügung stehen, auf Dauer nicht durchhalten. Bei den fehlgeleiteten Häusern und Trägern haben noch zusätzliche Effekte eine negative Wirkung, dazu gehört der massive Druck, die unmenschliche Personalpolitik, eine unstrukturierte oder gar keine Kommunikation und eine sparsame, gewinnorientierte Wirtschaftsführung, die von den Konzernen vorgegeben wird.

Nach den berechtigten Protesten der Betroffenen, wissen jetzt alle, dass die Ausbildung sich verbessern muss, die Bezahlung gerecht und gleich sein sollte, die Pflegesätze entsprechend kostendeckende zu sein haben und die privatwirtschaftliche Pflege nicht mehr ihre Gewinne und Dividenden zu Lasten der Versichertenbeiträge und Steuergelder abschöpfen darf.

Wenn das alles konsequent umgesetzt würde, könnten Pflegekräfte sich wieder im Beruf akzeptiert fühlen und wären sicher bereit aktiv an einer positiven Entwicklung mitzuwirken. Leider ist die Zerrissenheit zwischen den diversen Verbänden sehr groß und solange jeder von ihnen auf Kongressen und Veranstaltungen große Reden hält und Spesengelder verbraucht, wird sich nichts ändern. Die div. Verbände und ihre Funktionäre stehen also vor der Herausforderung sich zusammen zu schließen und als geschlossene und starke Kraft aufzutreten, um bei der Politik den entsprechenden Druck aufzubauen, denn ohne diesen wird es nicht gehen, die Lobbyisten der Pharmaindustrie oder der Autokonzerne machen es ihnen täglich erfolgreich vor.

 

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Ist gute Qualität in der Pflege zu erkennen?

„Unangemeldete Prüfungen für Pflege-TÜV“, rbb Sendung vom 06.04.2018.

Der Versuch des Senders, an Hand einer MDK Prüfung (genannt Pflege TÜV) in einem Pflegeheim zu zeigen, was „Qualität“ im Pflegealltag bedeutet, ist in dem Beitrag deutlich geworden. Auf einer Pflegestation eines Pflegeheims in Brandenburg, auf der 33 Bewohner leben, waren an diesem Tag 4 Pflegemitarbeiter eingesetzt und der Reporter hat darauf hingewiesen, das für jeden Bewohner 15 Minuten für die Morgentoilette zur Verfügung standen. In dieser Zeit müssen die Mitarbeiter die bettlägerigen, dementen und körperlich massiv eingeschränkten Damen und Herren aus dem Bett holen oder im Bett entkleiden, waschen, pflegerisch versorgen, ankleiden und Frühstück anreichen. Da wird jedem bewusst, das ist Fließband und hat mit Qualität nicht viel zu tun? Die wirkliche Qualität in diesem Haus waren die freundlichen und zugewandten Mitarbeiter, die sich bemühten trotz Zeitmangel und viel Druck am Menschen zu bleiben.

Die Prüfung selber bezog sich auf die Überprüfung der Pflegedokumentation und Stichproben (drei) bei einzelnen Bewohnern, ergänzt um die persönliche Befragung und in Augenscheinnahme der Ausgelosten vor Ort. Der Herr, der sich bereit erklärt hatte auch gefilmt zu werden, wurde aufgefordert die Arme hochzuheben und gebeten, ob die MDK Mitarbeiterin sich seinen Po ansehen darf. Er wurde gefragt ob er, wie geplant, einmal täglich in den Rollstuhl gesetzt wird. Die unklare und auch verneinende Antwort des Bewohners überging die Dame. Stattdessen reichte es ihr, dass er auf die Frage, ob die Mitarbeiter freundlich sind und das Essen schmeckt, bestätigend antwortete. Wie fühlt sich ein hilfloser, abhängiger Mensch, wenn eine wildfremde Person kommt und will eine „Fleischbeschau“ durchführen, um die Punkte in ihrem Protokoll ordnungsgemäß abzuarbeiten. Die Prüfer erklärten, das sei die Überprüfung der Ergebnisqualität. Das ist keine Kritik an den Prüfern, das ist massive Kritik am Prüf-System.

Die Prüfer kontrollierten außerdem noch in der Pflegedokumentation die ordnungsgemäße Handhabung der Medikamente, die Sturz- und Lagerungsprotokolle, aber auch darüber hinaus die Betreungsangebote,  die Dienstpläne der Mitarbeiter und die Speisepläne verbunden mit einem Blick in die Küche. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde dann mit der Leitung besprochen. In dieser Einrichtung „verschlechterte“ sich die Gesamtnote von 1 auf 1,2. Diese „Verschlechterung“ war neben einer zweiten Marginalie darauf zurückzuführen, dass bei einem Medikament eines Bewohners das Verfallsdatum abgelaufen war; was sagt diese Gesamtnote dann über die Qualität der Arbeit aus? NICHTS!

Wenn wir den administrativen Aufwand mit der Aussagekraft einer solchen Note ins Verhältnis setzen, wird schnell klar, dass ein wichtiger Teil der Arbeitszeit in der Pflege nicht für die Menschen, sondern für die administrative Arbeit gebraucht wird. Die Ergebnisse des „Pflege TÜV´s“ haben nur eine unzureichende und oft auch falsche Aussagekraft zur Qualität der Pflege. Die Stichproben betreffen gerade mal 5% der Bewohner und da sie nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, sind sie nicht einmal repräsentativ.

Eine wirkliche Qualität könnten vor Ort aktive Heimaufsichten beurteilen, die „ihre“ Heime kennen, diese regelmäßig besuchen auch unangemeldet und eine ganzheitliche Sicht der Arbeit haben. Die Konsequenz müsste sein, die MDK Prüfungen werden abgeschafft, das frei werdende Personal wird den kommunalen Heimaufsichten zur Verfügung gestellt und einheitliche Qualitätskriterien für das ganze Bundesgebiet, sind die Grundlage. Jetzt haben wir ein bisschen  Heimaufsicht vor Ort (16 unterschiedliche Landespflegegesetze) und ein Monster von MDK Prüfung, die sowieso nur der verlängerte Arm der Pflegekassen ist und außer viel Papier nichts bringt.

-Es gibt viel zu tun Herr Spahn, packen sie´s an!-

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Wie viel ist uns der (pflegebedürftige) Mensch wert?

Mit dem Pflegestärkungsgesetzt II drängt sich die Frage auf, was und wer sollte gestärkt werden? Zunächst sind für alle sichtbar aus den Pflegestufen die neuen Pflegegraden entstanden, ich schrieb darüber und die Demenzkranken finden eine stärkere Berücksichtigung, gut so, aber vermutlich auch auf dem Rücken der körperlich Pflegebedürftigen „Das neue Begutachtungsverfahren kann sicherlich besser Demenzkranke berücksichtigen und würdigen, aber damit kommt es überhaupt nicht zu einer Verbesserung der Pflege“. (cicero.de – „Die angeblichen Verbesserungen finden gar nicht statt“)

In diesem Beitrag richten wir unser Augenmerk auf die Stationäre Pflege. Bis zum 31.12.2106 waren die zu leistenden Eigenanteile an die jeweilige Pflegestufe gekoppelt. In Pflegestufe 1 gab es die geringsten Leistungen, also auch niedrige Kosten und je höher der Aufwand in der Pflege wurde, um so höher war auch der Eigenanteil an den Kosten. Ein Beispiel aus der Praxis: bei meiner Mutter war der Eigenanteil in Pflegestufe I zu Beginn ca. 950 Euro, stieg bis zur Pflegestufe  III auf 2100 Euro und mit dem Umzug in eine neu gebaute Einrichtung noch einmal auf  2800 Euro monatlich. Diese Form der Berechnung hatte u.a. auch die Konsequenz, dass Selbstzahler versuchten Steigerungen der Pflegestufe zu vermeiden, weil damit das eigene Portemonnaie belastet wurde, oder das Erbe schmolz.

Die Idee der Politik war nun diesen Eigenanteil für alle neuen Pflegegrade gleich zu machen, um bei der Einstufung in einen höheren Pflegegrad für die Betroffenen Mehrkosten zu vermeiden. Ein Interesse der Angehörigen kann nun sein, gerade deshalb eine höhere Einstufung zu bekommen, aber da wird der MDK schon „aufzupassen“ und seinen Daumen drauf halten, viel wichtiger wird es für die Einrichtung, dass sie zu einem Pflegegrad kommen, mit dem auch ihre Leistungen honoriert werden.

Eine andere Vergleichbarkeit ist dadurch aber stärker in den Vordergrund gerückt, die weit auseinander klaffenden, einrichtungsbezogenen Eigenanteile. Da gibt es erhebliche Differenzen, liegt der Betrag in Schleswig Holstein bei Einrichtungen z.B. bei 1423 oder 1571 Euro, so bezahlt man in München unter Umständen 2399 oder 2492 Euro im Monat dazu (keine Nord Süd gefällt, Zufall). Was steckt dahinter? An einem Beispiel kann man es am besten verdeutlichen. In einer mittelgroßen Stadt in der Mitte Deutschlands sind neben anderen Einrichtungen zwei Häuser, die wir mal genauer anschauen. Die Einrichtung A weist bei ihren Pflegesätzen einen Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil von monatlich 1157 Euro aus, B von 1918 Euro. Die Differenz ist vor allem auf 711 Euro Mehrkosten für den Pflegebedingten Aufwand zurückzuführen. Dieser Betrag hochgerechnet auf eine Pflegegruppe mit 30 Bewohnern, ergibt Mehreinnahmen von ca. 20.000 Euro monatl. Für die Einrichtung B bedeutet das, dass sie für dieses Geld 5 bis 6 Fachkräfte mehr beschäftigt kann, und damit für jeden Bewohner jeden Tag 1 Stunde mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit und Pflege ermöglicht.

Man könnte der Politik unterstellen, das sie mit dem gleichen Eigenanteil für alle Pflegegrade den Konkurrenzkampf unter den Einrichtungen „anheizen“ möchte und den Druck weiter erhöhen, denn sie entlasten nur in den höheren Pflegeraden die Selbstzahler, in den unteren ist die finanzielle Belastung wesentlich höher als vorher bei den Pflegestufen.

Wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, so wie es viele Leistungsanbieter propagieren, ist ein höherer Preis (Eigenanteil) zwar keine Garantie, aber ein entscheidendes Indiz dafür, dass der Mensch in der Philosophie dieses Trägers eine höhere Aufmerksamkeit hat. Vielleicht ist das bei der Entscheidung für eine Einrichtung auch eine wichtige Messlatte.

 

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Pflegegrade als „Grad-Wanderung“!

Seit über einem Jahr gibt es nun die fünf neuen Pflegegrade in der Einstufungspraxis des Pflegeneuausrichtungsgesetzes II. Ein Grund, einmal genauer hinzuschauen ob sich der Aufwand gelohnt hat. Ist das neue Gesetz mit einer stärkeren Berücksichtigung der Menschen mit Demenz gelungen, haben sich Pflegegrade statt Pflegestufen bewährt? Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff war überfällig und die damit verbundene deutlichere Einbeziehung des Personenkreises der dementiell veränderten Menschen unverzichtbar. Die mit der Änderung verbundenen Mehrausgaben bringen vor allem Verbesserungen in der ambulanten Versorgung, d.h. bessere Leistungen im Einzelnen und mehr Versicherte haben einen Anspruch auf Leistungen aus dem PSG II.

Fakt ist aber auch, das die Umstellungen die ab 1.1.2017 mit dem PSG II verbunden sind, einen erheblichen bürokratischen Aufwand nach sich gezogen haben, ein hohes Maß an Verunsicherungen bei Versicherten, ihren Angehörigen, Leistungsanbietern und Trägern zur Folge hatten und die Stationäre Pflege heute unter einem noch größeren finanziellen Druck steht.

Unser Augenmerk wollen wir aber auf die neue Einstufungspraxis richten. War in der vorherigen Begutachtung durch den MDK der Maßstab der notwendige Zeitaufwand, der für den einzelnen Antragsteller zu ermitteln war, „Minutenpflege“, so gibt es heute ein aufwendiges „Neues Begutachtungsassessment“ (NBA), in dem über 6 Module in einer sehr aufwendigen Punkte Berechnung ein Gesamtpunktwert ermittelt wird, der wiederum dann den Pflegegrad bestimmt.

In vielen Publikationen maßgebender Stellen wird immer davon geschrieben, dass „nicht mehr der Hilfebedarf in Minuten, sondern der Grad der Selbstständigkeit eines Menschen“ im Vordergrund steht und es wird betont, dass seine Ressourcen und Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. („Pflegebedürftigkeit und Pflegebegutachtung“, mds-ev.de) Weiter schreibt der MDS: „Das neue Begutachtungsin­strument stellt damit körperliche, psychische und kog­nitive Beeinträchtigungen angemessen und vergleichbar dar. Auf dieser Grundlage soll jeder pflegebedürftige Mensch Zugang zu passgenauen Leistungen erhalten“.

Wenn ich das genau verstehe, geht es also doch darum festzustellen, welche Leistungen der Einzelne auf der Grundlage eines festgestellten Hilfebedarfs (Grundlage Beeinträchtigungen) braucht. Macht auf mich den Eindruck, dass wir von Dortmund nach Bielefeld über Paris fahren, weil Paris sich doch so schön anhört. In Wirklichkeit geht es wieder mal nur um Geld und die Tatsache, wie man geschickt die Kosten im Griff behält und das möglichst schwer durchschaubar, Stichwort: Entbürokratisierung.

Die Punktevergabe für die einzelnen Pflegerade ist klar:

  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit (12,5 bis unter 27 Punkte)
  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit (27 bis unter 47,5 Punkte)
  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit (47,5 bis unter 70 Punkte)
  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit (70 bis unter 90 Punkte)
  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (90 bis 100 Punkte).

Ein schmaler Grad von Pflegegrad zu Pflegegrad! Wenn ein Pflegebedürftiger nun mit 47 Punkten in den Pflegegrad 2 eingestuft wird, könnte er mit einem Punkt mehr jeden Monat entweder 609 Euro mehr Sachleistungen oder 220 Euro mehr Geldleistungen bekommen. D.h. die Pflegebedürftigen, bzw. ihre Angehörigen müssen sehr wachsam sein, sich das Gutachten genau ansehen und alle Möglichkeiten des Widerspruches, möglicherweise auch mit einer juristischen Unterstützung prüfen.

Es hat sich zu der vorherigen Praxis der Pflegestufen nichts geändert und es gilt immer noch der gleiche Grundsatz: Pflege braucht Zeit, keine Stoppuhr!

Illustration Jürgen Pankarz

Es wäre sicher einfacher gewesen für den Personenkreis mit „demenzbedingten Fähigkeitsstörungen“ (Definition §45a Abs.1 SGB XI) einen Zuschlag einzuführen, und die Leistungen anzuheben, aber das hätte mit Sicherheit nicht eine so große öffentliche Wirkung gehabt.

 

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