Digitalisierung in der Pflege, Fluch oder doch lieber Segen

Alle reden von der Digitalisierung in der Pflege, jahrelanger war das Thema ein Stiefkind, jetzt soll alles ganz schnell gehen. Die Bundesregierung will es fördern, wie immer mit Beträgen die dem Haushalt nicht weh tun, aber der Praxis auch nicht helfen. Deshalb kann man nicht darauf warten, bis Politik ein paar „Förder-Euro“ausgeben will. Die Evangelische Heimstiftung in Stuttgart zeigt seit Jahren wie es gehen kann und nimmt z.B. mit seinem Projekt „Aladin in Labor und Praxis“ auch die Menschen mit auf den Weg, sie können die Technik erproben und werden schrittweise herangeführt. Es sind aber viel zu wenige Träger, die so offensiv an das Thema Digitalisierung in der Altenhilfe herangehen.

Eine Vision, die elektronische Bewohnerakte
Träumen wir einmal und stellen uns eine Digitale Welt in der Pflege vor, in der der „gläserne Bewohner“ im Mittelpunkt steht. Gläserner Bewohner, der Begriff schreckt ab, aber digitale Techniken, die die Arbeit der Altenhilfe erleichtern würden, gibt es heute schon. Also nennen wir es eine Vision, dass alle Einrichtungen für jeden Bewohner eine elektronische Bewohnerakte haben, in die alle relevanten Daten einfließen und die als Mittelpunkt eines umfangreichen und aktuellen Daten- und Informationspools dient. Die Daten werden von den Pflege- und Betreuungskräften ebenso wie den behandelnden Ärzten, Physiotherapeuten und administrativen Mitarbeitern zusammengetragen. Die Datenerfassung erfolgt durch die Pflegekräfte mobil, mit Geräten, die mit Kamera und Spracherkennung ausgestattet sind, die Spracherkennung kann außerdem verschiedene Sprachen übersetzen, sodass auch die Kollegen/innen mit Migrationshintergrund es unkompliziert nutzen. Von den Essenwünschen über die ersten Rötungen eines beginnenden Dekubitus bis zu Rückmeldungen z.B. an die Angehörigen, wird alles dokumentiert. Eine weitere Datenquelle ist ein Armband, das der Bewohner trägt, es übermittelt die Vitalwerte und Ergebnisse der jeweiligen Medikamentenbehandlung (Beispiel: www.aparito.com), gleichzeitig ist es auch in der Lage, bei dementen Bewohnern zu signalisieren wenn sie das Haus verlassen. Ein sensorisches Pflegebett misst regelmäßig das Gewicht des Bewohners und gibt sofort einen Hinweis bei problematischen Abweichungen, es wird die Körpertemperatur gemessen und sollte der Bewohner in der Nacht sehr unruhig werden, bekommt der Nachtdienst ebenfalls einen Hinweis. An fest montierten Tablets auf Fluren und öffentlichen Bereichen, sind alle Daten auch überall abrufbar und gegen Missbrauch durch persönliche Identifikation geschützt, bekannt als Kellnerschlüssel von Restaurantkassen.

Digitalisierung kann auch Segen sein
Viele digitale Netzwerke begegnen uns tagtäglich, vom DHL Dienst bis zum Orderman im Restaurant nutzen wir sie für relevante Informationen, die wir zeitnah und an unterschiedlichen Orten abgeben oder erhalten. Also, warum in der Altenpflege Daten schriftlich oder durch eintippen in den Computer zeitaufwendig erfassen und dokumentieren, wobei die Fehlerquote noch hinzukommt. In digitalen Systemen werden die Daten automatisch erfasst, mit dem Armband, im Pflegebett oder alle beweglichen Informationen mit der mobilen Spracherfassung. Die Erleichterungen für die Mitarbeiter sind umfangreich, alle regelmäßigen, gesundheitlichen Checkups werden automatisch zu festen Zeiten, zuverlässig durchgeführt, die Gewichtskontrolle ist automatisiert und viele Wege und zeitlich aufwendige Messungen und Kontrollen, übernimmt dann das System. Konsequenz, z.B. keine Wiegelisten mehr, automatische Gewichtskurven und Signale bei Abweichungen, Blutdruck Kontrollen, oder Diabetiker Werte mit aktuellen Rückmeldungen, aber auch die beteiligten Ärzte erhalten alle gesundheitlichen Messdaten automatisch und können bei Veränderungen zeitnah reagieren, Apotheken liefern die rezeptierten Medikamente, bei einer Krankenhauseinweisung erhält die Klinik automatisch alle wichtigen Daten und die Angehörigen werden, wenn gewünscht, über wichtige Entwicklungen ihres Verwandten sofort informiert und das sind  nur einige der vielfältigen Möglichkeiten. Was für eine Zeitersparnis und wenn mehr Einrichtungen die Systeme nutzen würden, könnten auch Änderungswünsche und weitere Entwicklung schneller umgesetzt werden.

Der Krankenwagen ist besser als die Pferdekutsche
Mitarbeiter in der Pflege finden ihre Motivation für diese Arbeit vielfach in dem zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekt und haben Angst vor technischer Unterstützung. Die Ethik Diskussion gehört deshalb begleitend zu diesem Thema. Es ist eine grundlegende Wende, der die gesamte Altenhilfe sich stellen muss und das verunsichert natürlich auch, denn sonst wäre der Einsatz der Digitaltechnik heute selbstverständlich. Wilhelm II hat einmal gesagt: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Wie froh sind wir heute, wenn der Krankenwagen schnell kommt und wir nicht auf die Pferdekutsche warten müssen. Altenpflege braucht aber unbedingt den nächsten Schritt in die Digitalisierung um diese Technologie in der täglichen Arbeit selbstverständlich zu nutzen. Es muss aber auch ganz klar sein, die Zeitersparnisse sind keine für den Träger verfügbare Masse, die frei werdenden Ressourcen werden ausschließlich für die zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekte gebraucht, dann ist auch der Altenpfleger wieder bei seiner Profession .

 

Beitrag teilen:

Offener Brief an Frau Merkel!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, nun sind sie über 12 Jahre im Amt und die Pflege ist in ihrer stärksten Kriese seit dem Pflegeversicherungsgesetz 1995. Was ist der Hintergrund? Kurz nach ihrem Amtsantritt haben sie die Föderalismusreform im Jahr 2006 auf den Weg gebracht. Mit dieser Reform wurde die alleinige Zuständigkeit u.a. für das Heimrecht, das die Bedingungen für die Pflegebedürftigen bestimmt, vom Bund auf die Länder übertragen. Dadurch sind sechzehn sehr unterschiedliche Ländergesetzgebungen, mit sechzehn weit auseinanderklaffenden Stellenschlüsseln in der Pflege entstanden, die untereinander nicht kompatibel sind. Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz 2008 haben sie die MDK Prüfungen eingeführt, die weder Ergebnisqualität richtig prüfen, noch wirksam Pflegemängel feststellen können, aber einen riesigen bürokratischen Aufwand verursachten. Mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz 2009 wurde erreicht, dass sich der bürokratische Aufwand weiter erhöhte und sich viele Wohngemeinschaften für Demente gründeten, die Arbeit dort sich aber jeder Kontrolle entziehen konnte. Diese und noch andere Punkte haben dazu geführt, dass sich in der Pflege starke Unsicherheiten entwickelten, die durch die vielfältigen Gesetzesänderungen, zusätzlichen bürokratischen Aufwand, den verstärkt aufkommenden finanziellen Druck und einen konkurrierenden Pflegemarkt entstanden sind. Diese Entwicklung verfehlte ihre Wirkungen bei den Mitarbeitern nicht. Der Freude an der Arbeit, die ich selber noch erlebt habe, sind Überforderung, Müdigkeit, steigende Krankheitsquoten und viel Frustration gewichen.

Die problematischen Punkte in der Pflege, vor allem bezogen auf die Mitarbeiter, wurden bereits zu Beginn ihrer Amtszeit durch die Ergebnisse des Runden Tischs Pflege 2005 vorgelegt. Fünf Gesundheitsminister/Innen saßen und sitzen in ihrer Amtszeit am Kabinettstisch und da war es nicht möglich die Entwicklungen und Probleme richtig einzuschätzen und zu bewerten? Jetzt haben sie die Gelegenheit in die Offensive zu gehen und auf die akute Notlage in der Pflege zielstrebig zu reagieren, sorgen sie dafür, dass Herr Spahn eine erste angemessene Tranche Geld in die aktuelle Situation stecken kann, damit ein Kollaps verhindert wird, die Pflegekräfte, die pflegenden Angehörigen und damit die Pflegebedürftigen brauchen das. Bei den Bankenrettungen hat es doch auch geklappt. Darüber hinaus braucht ihr/unser Gesundheitsminister ihre ganze Unterstützung, dass Pflege und damit auch das ganze Gesundheitssystem eine umfassende Reform bekommt, denn mit kleinen Kompromissen werden die Probleme nur verschoben, aber das wissen sie ja.

 

Beitrag teilen:

Die Wirklichkeit will Politik nicht sehen!

Der Pflegenotstand ist Alltag in der Altenpflege, der Bericht in der TAZ  (TAZ -Leiharbeit in der Altenpflege-)  beschreibt es anschaulich. Die tägliche Wirklichkeit in deutschen Pflegeeinrichtungen, Ausnahmen bestätigen die Regel, ist geprägt von fehlendem, überfordertem und ausgelaugtem Personal. Private Betreiber, wie Alloheim, sind da nur die Spitze des Eisbergs, denn die Problematik des Personalmangels gibt es überall.

Fehlendes Personal, fehlendes Material, schlechte Behandlung, viel Druck, wann geht die gesamte Pflegebranche endlich geschlossen auf die Strasse und demonstriert, „weil wir es wert sind“, die Erzieher/innen konnten es doch auch.

Beitrag teilen: