Wie viel ist uns der (pflegebedürftige) Mensch wert?

Mit dem Pflegestärkungsgesetzt II drängt sich die Frage auf, was und wer sollte gestärkt werden? Zunächst sind für alle sichtbar aus den Pflegestufen die neuen Pflegegraden entstanden, ich schrieb darüber und die Demenzkranken finden eine stärkere Berücksichtigung, gut so, aber vermutlich auch auf dem Rücken der körperlich Pflegebedürftigen „Das neue Begutachtungsverfahren kann sicherlich besser Demenzkranke berücksichtigen und würdigen, aber damit kommt es überhaupt nicht zu einer Verbesserung der Pflege“. (cicero.de – „Die angeblichen Verbesserungen finden gar nicht statt“)

In diesem Beitrag richten wir unser Augenmerk auf die Stationäre Pflege. Bis zum 31.12.2106 waren die zu leistenden Eigenanteile an die jeweilige Pflegestufe gekoppelt. In Pflegestufe 1 gab es die geringsten Leistungen, also auch niedrige Kosten und je höher der Aufwand in der Pflege wurde, um so höher war auch der Eigenanteil an den Kosten. Ein Beispiel aus der Praxis: bei meiner Mutter war der Eigenanteil in Pflegestufe I zu Beginn ca. 950 Euro, stieg bis zur Pflegestufe  III auf 2100 Euro und mit dem Umzug in eine neu gebaute Einrichtung noch einmal auf  2800 Euro monatlich. Diese Form der Berechnung hatte u.a. auch die Konsequenz, dass Selbstzahler versuchten Steigerungen der Pflegestufe zu vermeiden, weil damit das eigene Portemonnaie belastet wurde, oder das Erbe schmolz.

Die Idee der Politik war nun diesen Eigenanteil für alle neuen Pflegegrade gleich zu machen, um bei der Einstufung in einen höheren Pflegegrad für die Betroffenen Mehrkosten zu vermeiden. Ein Interesse der Angehörigen kann nun sein, gerade deshalb eine höhere Einstufung zu bekommen, aber da wird der MDK schon „aufzupassen“ und seinen Daumen drauf halten, viel wichtiger wird es für die Einrichtung, dass sie zu einem Pflegegrad kommen, mit dem auch ihre Leistungen honoriert werden.

Eine andere Vergleichbarkeit ist dadurch aber stärker in den Vordergrund gerückt, die weit auseinander klaffenden, einrichtungsbezogenen Eigenanteile. Da gibt es erhebliche Differenzen, liegt der Betrag in Schleswig Holstein bei Einrichtungen z.B. bei 1423 oder 1571 Euro, so bezahlt man in München unter Umständen 2399 oder 2492 Euro im Monat dazu (keine Nord Süd gefällt, Zufall). Was steckt dahinter? An einem Beispiel kann man es am besten verdeutlichen. In einer mittelgroßen Stadt in der Mitte Deutschlands sind neben anderen Einrichtungen zwei Häuser, die wir mal genauer anschauen. Die Einrichtung A weist bei ihren Pflegesätzen einen Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil von monatlich 1157 Euro aus, B von 1918 Euro. Die Differenz ist vor allem auf 711 Euro Mehrkosten für den Pflegebedingten Aufwand zurückzuführen. Dieser Betrag hochgerechnet auf eine Pflegegruppe mit 30 Bewohnern, ergibt Mehreinnahmen von ca. 20.000 Euro monatl. Für die Einrichtung B bedeutet das, dass sie für dieses Geld 5 bis 6 Fachkräfte mehr beschäftigt kann, und damit für jeden Bewohner jeden Tag 1 Stunde mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit und Pflege ermöglicht.

Man könnte der Politik unterstellen, das sie mit dem gleichen Eigenanteil für alle Pflegegrade den Konkurrenzkampf unter den Einrichtungen „anheizen“ möchte und den Druck weiter erhöhen, denn sie entlasten nur in den höheren Pflegeraden die Selbstzahler, in den unteren ist die finanzielle Belastung wesentlich höher als vorher bei den Pflegestufen.

Wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, so wie es viele Leistungsanbieter propagieren, ist ein höherer Preis (Eigenanteil) zwar keine Garantie, aber ein entscheidendes Indiz dafür, dass der Mensch in der Philosophie dieses Trägers eine höhere Aufmerksamkeit hat. Vielleicht ist das bei der Entscheidung für eine Einrichtung auch eine wichtige Messlatte.

 

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