Frau Giffey, Herr Heil und Herr Spahn sagen mit vereinten Kräften dem Pflegenotstand den Kampf an und wollen das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates wieder stärken, können sie das schaffen? Sicher haben sie gute Absichten für die Pflege eine positive Wende einzuleiten, Zweifel sind aber berechtigt, da zu viele Kompromisse eine wirklich positive Wende trüben könnten.
Die Themen des Pflegenotstands sind bekannt und alle drei Politiker haben sie in der Pressekonferenz am 3.7.18 benannt, wie z.B. Tarifbindung, Ausbildungsoffensive, Führungsfragen, Digitalisierung, Imageverbesserung und Frau Giffey unterstreicht ihren Handlungswillen mit dem Satz „Machen ist wie wollen, nur krasser“. Was aber kann die Bundesregierung mit Vertretern der Wohlfahrtspflege, Kirchen, Gewerkschaften, Berufsverbänden, Verbänden der Privaten Träger als gemeinsame Schnittmenge festlegen. Im besten Fall einen Konsens zum kleinsten gemeinsamen Nenner. Greifen wir ein zentrales Thema raus, ein einheitlicher flächendeckender Tarifvertrag Pflege. Wir groß sind die Chancen ihn umzusetzen. In Deutschland haben wir Tarifautonomie, d.h. alle Inhalte zu Tarifvereinbarungen werden unter den div. Tarifparteien ausgehandelt. Tarifautonomie ist das in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz verankerte Recht der Koalitionen (verschiedene Interessengruppen), Vereinbarungen (laut Tarifvertragsgesetz mit normativer Wirkung) frei von staatlichen Eingriffen über Arbeitsbedingungen, insbesondere Tarifverträge über das Arbeitsentgelt abzuschließen. Da das zunächst nur einvernehmlich geht, setzt Politik auf die Bereitschaft aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gruppen, eine Tarifvereinbarung auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Da zeigen sich aber schon die ersten Hinternisse. Der Arbeitgeberverband des BPA mit seinem Präsident Herrn Brüderle, hat sich dazu im Vorfeld geäußert. In einer Gegendarstellung zu einem im Spiegel erschienen Artikel, schreibt der BPA folgendes: „Wir sehen die Versuche, allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Pflege zu erleichtern, als schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie und wollen deshalb mit unserer AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien) einen alternativen Weg aufzeigen.“Auch eine gerichtliche Überprüfung jedweder Eingriffe in die Tarifautonomie muss man daraus ableiten. Herr Heil setzt aber zunächst auf Verhandlungen und das ist richtig, da eine juristische Auseinandersetzung Jahre dauern könnte. Was heißt das aber für einen einheitlichen Tarifvertrag? Es ist zu befürchten, dass es ihn so kaum geben kann, denn die Privaten Träger werden sich die Freiheit, die Gehälter für ihre Mitarbeiter eigenständig, ohne Gewerkschaften, festzulegen, nicht nehmen lassen. Herr Brüderle schreibt in einem Brief an die drei Minister: „Wir glauben, dass wir mit unseren AVR nicht nur unseren Mitgliedern, sondern auch unseren Mitarbeitern ein attraktives Angebot vorgelegt haben. Unsere Mitarbeiter entscheiden sich aus freien Stücken in erdrückender Mehrheit gegen Mitgliedschaften in Gewerkschaften. Somit fallen diese als Tarifpartner aus. Es ist übrigens das verfassungsrechtlich verbriefte Recht eines jeden Einzelnen, sich nicht einer Koalition anzuschließen. Das gilt es zu akzeptieren, sowohl für uns, aber auch für Gewerkschaften und vor allem deren Funktionäre“. Zunächst einmal, was ist das für eine Unaufrichtigkeit, wenn der BPA von Freiheit der Entscheidung spricht und bei vielen Trägern mit allen Mitteln Betriebsräte verhindert werden. Für die Verhandlungen heißte das aber vor allen, dass die unausgesprochene Drohung im Raum steht, jedweden Eingriff in die Tarifautonomie auch mit juristischen Mitteln zu verhindern.
Herr Heil hat in der Pressekonferenz auch gesagt: „ Wir wollen das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates wieder stärken“. Wie kann das gehen? Der Markt und damit die Macht des Geldes, hat in den letzten Jahrzehnten sukzessiv das Handeln an sich gezogen, es wird Zeit dass das Soziale in der Sozialen Marktwirtschaft wieder Parität bekommt. Soziale Verantwortung kann nicht gegen Geld abgewertet werden und so braucht Pflege keine Kompromisse, sondern eine gesetzgeberische Maßnahme, die den Wert der Arbeit in der Pflege über das Renditedenken der Pflegekonzerne stellt. Der Staat muss die Macht des Handeln wieder an sich ziehen und sollte bei den Konzernen die Messlatte einer Sozialethik abverlangen, die viele von ihnen aus den Augen verloren haben. Alle drei Politiker haben die „großen Aufgaben“, die „anstrengende Arbeit“ aber auch die „konkreten Lösungen“ beschworen, jetzt sind sie in der Verantwortung zu liefern, denn Glaubwürdigkeit entsteht durch die Kongruenz von Wort und Tat. Setzen sie sich durch, bleiben sie stark, meine Dame und meine Herren, es lohnt sich, die Pflege hat nur diese einmalige Chance aus der Krise des Pflegenotstands heraus zu kommen.