„Ja, wir haben verstanden“ und keiner versteht!

Beim Mittagessen in einem Selbstbedienungsrestaurant sitzt neben mir am Tisch eine Mutter und ihr 11 Monate altes Baby. Als ich mein Essen hinstelle, steht die Mutter gerade auf und sagt zu dem Kind: „ Du machst das schon“ und geht zu dem Bäcker nebenan, um sich noch etwas zu holen. Ich schaue zu dem Baby hin und lächle es an, wir haben schnell Blickkontakt und ihr Gesicht entspannt sich, ich reagiere auf ihre Mimik und Gestik, wir lächeln, zwinkern, bewegen den Kopf hin und her, der kleine Spatz agiert und reagiert fröhlich mit unterschiedlichen Lauten und Geräuschen und so kommunizieren wir eine Weile, bis die Mutter wiederkommt.

Das 3. Axiom von Watzlawick heißt „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung“ oder man kann auch sagen „so wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Übertragen wir das auf die aktuelle Pflegesituation, stellen wir schnell fest, die in der Pflege Aktiven rufen, „Hilfe, wir können nicht mehr“ und die auf der anderen Seite des Kommunikationskreises sagen: „Ja, wir verstehen euch“, sie antworten aber mit Beruhigungen, Versprechungen, Ausflüchten. Die Rufer erwarten aber Antworten, Antworten die ihnen helfen, Entspannung und Erleichterung in ihre Arbeit bringen. Was machen Menschen, wenn ihre Hilferufe nicht verstanden, nicht ernst genommen werden? Kommunikation ist ein Kreislauf, Reiz- Reaktion. Einige reagieren mit Rückzug, andere werden aggressiv und wütend. Hätte ich auf das Baby nicht reagiert, es nicht beachtet und weggeschaut, die Gesichtszüge veränderten sich schon, als die Mutter wegging, was wäre passiert, womöglich hätte es schnell angefangen zu weinen oder gleich zu schreien. So ist es auch beim Thema Pflegenotstand, endlich äußern sich Pflegekräfte und sagen: „Wir brauchen mehr Zeit für die Menschen, unsere Fachlichkeit ist in Frage gestellt und die Werte wie Respekt und Würde vor dem Leben, gehen den Bach runter“ und Politik antwortet: „ Ja, ja , wir müssen auf unsere Gesetze und Finanzen achten.

Es scheint ein Phänomen der politischen Entwicklung zu sein, der Bürger hat nicht mehr die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Politiker, sie hören nicht zu und so entwickelt sich eine Verhaltenskette, die an vielen Stellen unterbrochen ist, das nennt man Kommunikationsstörungen. Die Folgen sind absehbar, die Menschen ziehen sich zurück, machen ihr „eigenes Ding“, d.h. in der Pflege, Rückzug in Krankheiten oder Ausstieg aus dem Beruf, ein Teil wird die „Kommunikation“ mit kämpferischen Mitteln, wie Demonstrationen, Briefen oder „Hilferufe“ in den Sozialen Medien fortsetzen, aber das bleibt eine einseitige Reaktion ´auf die nicht gehört wird` und die Gefahr steigt immer weiter, dass die Pflegesysteme nach den aktuellen ersten Implosionen dann auch explodieren.

Illustration Jürgen Pankarz

Die Kommunikationskette zwischen Politik und Bürgern ist zerrissen, die Meinungen der Bürger lassen Politiker sich von Wissenschaftlern gefiltert in sogenannten wissenschaftlichen Expertisen übermitteln und haben dabei das Gefühl, fundierte Aussagen zu bekommen, weil es doch wissenschaftlich begründet ist. Gesetze und Projekte werden dann durch Lobbyisten und Fach-Experten begleitet und gesteuert, und die Stimme des Volkes ist längst im Hintergrund verhallt, so wie es die Pflege z.Z.t erlebt. Ich wünsche mir, dass Politiker wieder zuhören, und spüren was die Menschen ihnen zu sagen haben. Wenn sie dann antworten, dann bitte so, dass der Gesprächskreislauf nicht durch ihren eigenen Rückzug aus Angst vor der Realität unterbrochen wird und zu noch mehr Frustration und Lähmung führt, sondern eine Kette von positiven Impulsen und wirklichen Lösungen initiiert. Antworten der Politik könnten z.B. für die Pflege lauten: „ Ja wie haben verstanden, bis zum Jahresende bringen wir ein Gesetzt für einen einheitlichen Tarifvertrag für Pflege auf die Beine, der Eigenanteil der Betroffenen wird auf eine Summe von 1000 Euro pro Monat festgeschrieben und es gibt ein Gesetz, dass mit Pflege keine Gewinne mehr gemacht werden dürfen. Das alles kostet sehr viel Geld, aber wir haben über Jahre hinweg die Pflege in die falsche Richtung gelenkt und müssen jetzt umsteuern, das ist unsere Verantwortung für die pflegebedürftigen Menschen“. Stellen wir uns vor, so würden verantwortungsvolle Politiker reagieren, dann wäre Ursache und Wirkung im Kommunikationskreislauf zwischen Bürgern und Politikern wieder im Einklang.

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Der Menschenflüsterer

In der Dokumentation „Der Mann seines Wortes“ über Papst Franziskus, spricht dieser über Unter- und Überstellungsverhältnisse in der Kirche und zitiert aus der Bibel, Matthäus 6,24 „Niemand kann zwei Herren dienen,…“ Er will damit deutlich machen und das ist außerhalb der Kirchen genauso relevant, dass wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf zwei „Herren“ verteilen können, denn dann bleibt für beide jeweils weniger Kraft und Aufmerksamkeit übrig, als für Einen. Für die Pflege bedeutet das, die Mitarbeiter müssen ihre ganze Kraft auf den Pflegebedürftigen ausrichten können und nicht ständig das System zufrieden stellen,  wiederrum für die Leitungen gilt, ihre ganze Aufmerksamkeit brauchen die Mitarbeiter.

Viele kennen einen Pferdeflüsterer, z.B. aus dem Film mit Robert Redford in der Rolle des Booker und wenn man den Film sieht, ist man begeistert mit welcher Geduld er Vertrauen zu dem Pferd Pilgrim aufbaut. Ein wirklicher Pferdeflüsterer ist Monty Roberts, eine Amerikanischer Züchter und ehemaliger Rodeoreiter, er entwickelte eine gewaltfreie Kommunikation mit Pferden und führte sie aus schwierigen, traumatischen Situationen zu guten Leistungen. Wikipedia schreibt: „Als Pferdeflüsterer bezeichnet man Menschen, die besonders gut mit Pferden umgehen können und dazu spezielle Methoden der Kommunikation verwenden. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, das Verhalten und die Körpersprache von Pferden zu verstehen. Daher sind eine gute Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen Grundvoraussetzungen. Ein Pferdeflüsterer... arbeitet, um z. B. Ängste zu nehmen oder unerwünschtes Verhalten zu verändern“.

Ersetzen wir das Wort Pferde einmal mit dem Wort Menschen, dann wird uns schnell bewusst, welche wirklich menschwürdigen Methoden Leitung im Umgang mit seinen Mitarbeitern zur Verfügung stehen könnten. Die „Übersetzung“ heißt dann: Als Menschenflüsterer bezeichnet man Menschen, die besonders gut mit Menschen umgehen können und dazu spezielle Methoden der Kommunikation verwenden. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, das Verhalten und die Körpersprache von Menschen zu verstehen. Daher sind eine gute Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen Grundvoraussetzungen. Ein Menschenflüsterer... arbeitet, um z. B. Ängste zu nehmen oder unerwünschtes Verhalten zu verändern.

Warum holen sich Pferdebesitzer einen Pferdeflüsterer? Sie haben festgestellt, dass das Pferd bei Druck ausbricht, die Leistungen verweigert und bockt. Sie selber werden immer ungeduldiger, ja sogar aggressiv, reagieren mit noch mehr Druck und Strafe und so dreht sich die Teufelsspirale immer weiter nach innen und das erwünschte Ziel rückt damit weiter in die Ferne. Wenn man auf ein Springturnier geht und zuschaut, kann man sehen, wie unterschiedlich die Springreiter agieren, einige heben sich vor dem Sprung leicht aus dem Sattel, sie stehen nur in ihren Steigbügeln, das Gesicht ist entspannt und ganz nah am Ohr des Pferdes und sie fliegen geradezu gemeinsam über das Hindernis, anschließend loben sie das Tier, streicheln und tätscheln es. Andere wiederum haben eine Peitsche, schlagen vor dem Sprung auf das Hinterteil des Pferdes, ihr Gesicht ist sehr verspannt und nicht selten bockt das Pferd, oder reißt noch einen Teil des Hindernisse mit um, der Reiter wird ärgerlich und zieht wütend an der Trense des Pferdes. Viele Pferdebesitzer wissen, dass sie mit dieser Methode das Pferd nicht zu wirklich guten Leistungen führen können und suchen sich Hilfe.

Übertragen wir das auf den Menschen, ein Menschenflüsterer kann auf dem gleichen Weg Ängste abbauen, lenken und nicht drücken, warten und nicht schieben und zerren und er lernt seine Mitarbeiter als Menschen mit Stärken und Schwächen kennen, baut Vertrauen auf, nutzt ihre Stärken und geht mit ihnen einen gemeinsamen Weg. Kritiker werden sagen, wir brauchen klare Regeln und Sanktionen für alle, die sie nicht einhalten, oder überschreiten, wie weit kommen diese Menschen, wenn ihr Sanktionsrepertoire erschöpft ist? Der Menschenflüsterer gibt seinem Gegenüber Raum sich selber in Bewegung zu setzen und hilft ihm dabei auf den richtigen Weg. Werden sie Menschenflüsterer bei ihren Mitarbeitern, es lohnt sich.

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Herr Spahn, sie müssen sich entscheiden: Markt oder Qualität

Untertitel: Kann aus dem derzeitigen Pflegemarkt ein fachlich stabiles und menschwürdiges Angebot für Pflegebedürftige werden? Die Entwicklung der letzten 20 Jahre zeigt sehr deutlich, Politik hat die Pflege für den Markt  frei gegeben, aber auch mit einer Fülle von Regeln, Vorschriften und Begrenzungen überzogen und damit die heutige Situation provoziert. In diesem Markt haben sich einige ihre Nischen gesucht, andere agieren im gesetzlichen Rahmen mehr recht als schlecht, aber viele wissen nicht mehr, wie sie mit den gesetzlichen Bedingungen und finanziellen Begrenzungen noch eine menschenwürdige Arbeit machen können.

Die Politik ist nun in der Klemme, sie sieht auf der einen Seite die katastrophalen Ergebnisse ihrer Jahrzehnte lagen Politik, Herr Spahn hat zwar zügig verstanden, dass der Personalmangel  unmenschliche und lebensbedrohliche Situationen in der Altenhilfe hinterlässt, weiß aber auf der anderen Seite auch, dass er weder bei den Sozialversicherungen noch bei Steuermitteln so viel Geld locker machen kann, wie notwendig wäre. Seine Versprechungen und Ankündigungen in der Öffentlichkeit diesbezüglich halten sich deshalb auch in Grenzen.

Immer neue Informationen und Hiobsbotschaften werden zwischenzeitlich bekannt, von immer größere Zahlen zum Personalnotstand, steigenden Krankheitsquoten der Pflegekräfte, der zunehmenden Unzufriedenheit von Leitungen (Altenpflegebarometer) und vieles mehr. Gleichzeitig überschlagen sich aber auch die Vorschläge, wie die Situation zu bewältigen sei. Herr Spahn verspricht 13000 Stellen, von denen keiner weiß, wo die Fachkräfte dafür herkommen sollen, ein einheitlicher Tarifvertrag wird beschworen, das Land Hessen reduziert schnell mal die Einstiegsschwelle zur Ausbildung auf Null, immer wieder wird der Vorschlag Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren aufgefrischt, aber eine wirkliche Vorstellung zur einer grundlegenden Reform der Pflege von Seiten der Politik unterbleibt.

Was bleibt, sind tausende von Einrichtungen, die nicht wissen, wie sie ihre offenen Stellen besetzen sollen um ihre Bewohner und  Patienten noch einigermaßen versorgen zu können, Ambulante Pflegedienste, die Anfragen nach Pflege ablehnen müssen oder gar Patienten den Vertrag kündigen, weil sie kein Personal haben, Angehörige die überfordert sind, weil sie weder einen Tagespflegeplatz oder Kurzzeitplatz für ihre eigene Entlastung finden und der Druck bei allen Beteiligten nimmt weiter zu und die Konsequenzen sind u.a. auch ein zunehmendes Gewaltpotential, lesen sie dazu einige Berichte!

Die Botschaften, die Politik sendet, lassen befürchten, dass es um Lösungen gehen wird, die nicht viel kosten, die Qualität verringern und die Probleme schnell vom „Tisch schaffen“, damit die negativen Schlagzeigen aus der Presse verschwinden. Nur ein Beispiel, Herr Dr. Albert Kern, Referent im BMG, zieht auf der Altenheim expo 2018 in einem Vortrag zur Digitalisierung in der Altenhilfe folgendes Fazit:
 Von Interesse ist eine digital gestaltete Altenpflege, die das Personal in der ambulanten und stationären Pflege unterstützt.
–  Von Interesse ist eine digital gestaltete Altenpflege, die ohne Qualitätseinbußen den Personaleinsatz in der ambulanten und stationären Pflege messbar verringern kann.
–  Von Interesse sind digitale Angebote, die dazu führen, dass Pflegebedürftige messbar länger zu Hause versorgt werden können.
Digitalisierung in der Altenpflege ja, damit aber messbar den Personaleinsatz zu verringern, zeigt die Zielsetzung, sparen, der Einwurf “ ohne Qualitätseinbußen“ ist das Feigenblatt auf der Aussage. Gleichzeitig berichtet eine Studie über pflegende Angehörige, von einer zunehmenden Anspannung und Gewaltbereitschaft, sowohl bei den Pflegebedürftigen als auch bei den Pflegenden selber: „45 Prozent der Befragten gaben an, mit psychischer Gewalt wie Anschreien, Beleidigen oder Einschüchtern konfrontiert worden zu sein, elf Prozent berichten über körperliche Übergriffe wie grobes Anfassen, Kratzen oder Schlagen. Pflegende werden aber auch selbst teilweise gewalttätig. 40 Prozent räumten ein solches Verhalten für den Zeitraum des letzten halben Jahres ein. Mit 32 Prozent dominiert psychische Gewalt, zwölf Prozent gaben körperliche Gewalt an, elf Prozent nannten Vernachlässigung und sechs Prozent berichteten über freiheitsentziehende Maßnahmen“.

Herr Spahn hat noch nicht verstanden, in der Altenpflege hat sich in den letzten Jahrzenten eine Situation entwickelt, die einen unerträglichen Druck auf Pflegende wie Pflegebedürftige ausübt, der zu unüberwindlichen Belastungen in der jetzigen Situation führt, in denen der Pflegende letztendlich immer der „Stärkere“ bleiben muss, d.h. von freiheitsentziehenden Maßnahmen über Sedieren bis zur Vernachlässigung, ist die gesamte Palette heute in den meisten Pflegeheimen und Haushalten Alltagssituation. Dieser Skandal wird zwar durch einzelne Berichte in der Presse dokumentiert, aber durch aufopfernde Mitarbeiter und Angehörige auch wieder ein Stück weit „zugedeckt“. Politik muss endlich begreifen, dass der Kampf am Pflegemarkt nicht um den kostengünstigsten Träger und die preiswerteste Einrichtung, sondern um die beste Qualität geführt werden muss. Der erste Schritt dahin ist das strikte Verbot, mit Pflege Gewinne zu machen, dann haben Fachlichkeit und Menschenwürde wieder eine echte Chance.

 

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Im Teufelskreis des Pflegenotstands

“Ich hatte mich nicht getraut zu klingeln, sie haben so viel zu tun, da möchte ich sie nicht belästigen.“ – Patienten liegen in eigenen Ausscheidungen, trauen sich aber häufig nicht mal zu klingeln. Was sagt uns das? PFLEGENOTSTAND! Diese und eine Fülle ähnlicher Erfahrungen, berichten Pflegekräfte aus Krankenhäusern und Altenheimen und vermitteln ein Gefühl dafür, was hinter den verschlossenen Türen der Pflege tagtäglich passiert. Wie viel freie Stellen in der Pflege sind unbesetzt, wie viel Fachkräfte werden bis zum Jahr 2030 oder 2050 auf der Grundlage der demografischen Entwicklung zusätzlich gebraucht, die Zahlen überschlagen sich in Zeitungsberichten und Talkshows, sie dokumentieren den aktuellen und zukünftigen Pflegenotstand, wenn jetzt nicht mit aller Kraft gegengelenkt wird.

Was passiert?
Herr Spahn verkündet Abhilfe, die nicht einmal die gegenwärtige Not  auch nur ansatzweise lindern könnte, geschweige denn beheben, Träger-Verbände und Berufsorganisationen, die seit Jahren die Entwicklung sehen, werden zwar lauter, aber trauen sich nicht die Politik in aller Konsequenz in die Pflicht zu nehmen und die Pflegekräfte engagieren sich für  Pflegkammern und werden für einige Zeit mit deren Aufbau beschäftigt sein, wobei sie gleichzeitig allen Pflegekräften erklären müssen, dass das eine Zwangsmitgliedschaft mit den entsprechenden Beiträgen ist.

Warum gibt es keinen Aufstand?
Warum wird der Pflegenotstand schon fast zu einer alltäglichen Situation, der zwar alle aufregt und zu Protestnoten herausfordert, aber es ändert sich nichts. 13.000 Stellen ab 2019, ein sogenanntes Sofortprogram ab 2020 und der Circulus virtuoses dreht sich weiter und weil man ihn auch eine Abwärtsspirale nennt, wird die Situation immer schlimmer, denn der Status Quo wird ja nicht bis 2019 oder 2020 warten. Am 1.2.18 schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung „Warum gibt es keinen Aufstand? Warum ist der Pflegenotstand ein alltäglicher Zustand? Er schreit zum Himmel; die Behandlung der alten und der dementen Menschen gleicht bisweilen einer Bestrafung dafür, dass sie so alt geworden sind. Ist das Altwerden eine Schuld, die Sanktionen nach sich ziehen muss, die in Pflegeheimen vollstreckt werden? Die Erklärung der bisweilen grausigen Zustände, die in so manchen Heimen herrschen, gelingt nur einem solchen Zynismus“.

Die Bankrotterklärung des Staates
Deutschland ist eine führende Wirtschaftsmacht in dieser Welt, und die Menschen, die dieses Land mit aufgebaut haben, werden, wenn sie hilflos, pflegebedürftig und damit „unproduktiv“ werden, zu einem Kostenfaktor, den man möglichst niedrig halten muss. Der Teufelskreis Pflegenotstand ist zugleich die Bankrotterklärung des Staates an seine Bürger: Wehe wenn du pflegebedürftig wirst, pass gut auf, dass du nicht zu viel kostest, oder denk besser schon mal darüber nach, wie du das selber lösen kannst. Dieser Teufelskreis führt immer stärker in den Suizid und Politik erklärte zum neuen § 217 StGB  2015 ihre Verantwortung für das Gesetz mit dem „Menschlichen Leben“ und der individuelle Entscheidungsfreiheit. Wie viel Wert hat diese Begründung, wenn man die Unfähigkeit der Politiker betrachtet, ein vernünftiges Pflegekonzept zu entwickeln. Der Protest gegen diese Situation ist viel zu leise und viel zu freundlich, warum gehen nicht alle auf die Straße und nicht eher nach Haus, bis sich grundlegend etwas ändert. Warum? Dieter Hildebrandt, gest. 2013, hat auf diese Frage geantwortet: „Die einen können es nicht mehr – und die anderen wollen nicht daran denken, dass sie am nächsten Tag selbst betroffen sein könnten.“ Der Teufelskreis muss durchbrochen werden!

 

 

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Es wird Zeit dem Pflegenotstand den Boden zu entziehen

Jetzt hat es doch sicher jeder verstanden, die Pflege wird in kleinen Bausteinen, wenn überhaupt, Schritt für Schritt, mit begrenzen Geldmitteln, in den nächsten Jahren, aber frühestens ab 2020 umgelenkt. Herr Spahn sagt: „wir steuern um“ und verbreitet jeden Tag einen neuen Vorschlag, mit wenig Realisierungschancen, über die Medien. Auch als Optimist versteht man, dass es den großen Wurf nicht geben kann. Politische Entscheidungen brauchen Zeit und der Druck ist vermutlich noch nicht groß genug für eine erfolgreiche „Notoperation“. Bleibt also nur der Weg, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Jetzt ist die Zeit, sich der Gründer der Sozialen Arbeit zu besinnen, es waren christlich motivierte und ethisch verantwortungsvolle Menschen, die in allen Jahrhunderten die Not sahen und engagiert dagegen angegangen sind. Leprosenheime, div. Stiftungen, Armenhäuser, etc., all das waren wertvolle Reaktionen auf die Probleme der jeweiligen Zeit und Ausdruck der Solidarität mit den Armen, Kranken und Hilflosen. Mit der Aushöhlung des Subsidiaritätsprinzips und der Vermarktung des Gesundheitswesens, hat der Staat endgültig bewiesen, dass seine Spar- und Kontrollpolitik versagt hat, also muss es eigene Antworten auf die Nöte der Zeit geben.

Einmal geht es um Geld und dann geht es um zivilen Ungehorsam. Beides sind Wege die nach Vorne führen. Hilflose, pflegebedürftige Menschen brauchen schöne Lebensräume, aber sie brauchen auch Menschen, die Zeit für sie haben, und die nicht zu einem großen Teil für einen überbordenden, administrativen Aufwand verloren geht. Die Solidarität aller Sozial Verantwortlichen ist gefragt: warum schließen christlich und humanistisch engagierte Träger sich nicht zusammen und legen selber Fonds auf, mit denen sie neue Gebäude und Einrichtungen finanzieren. Mit Baudarlehn von 3 bis 4% Zinsen, ist die Finanzierung neuer Pflegeeinrichtungen günstiger als Renditen zwischen 8 und 12%, zumal die Gebäude mit den Tilgungen dann das Anlagevermögen erhöhen. Ein gemeinsamer Tarifvertrag, der die Mitarbeiter aller Beteiligten gleich  und besser bezahlt , stärkt die Solidarität der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre der organisierte, massive Widerstand gegen den übermäßigen Bürokratieaufwand. Die MDK Noten sind unwirksam, schlechte Einrichtungen wurden durch diese Prüfungen nicht besser und gute verschenken mit der unnötigen Dokumentation sinnlos Zeit. Den abhängigen, hilflosen Menschen also wieder in den Mittelpunkt zu stellen, Bürokratie auf das Maß zurückzuschrauben, das ausreichende Information über wichtige Daten und Handlungsschritten vermittelt, das wäre ziviler Ungehorsam. Dabei kann übrigens eine gute IT Struktur sehr hilfreich sein.

Das willfährige Hinterherlaufen hinter staatlichen Versprechungen, führt nicht weiter. Geben wir der Altenpflege einen neuen Schub, warten wir nicht darauf, dass Politik „Schritt für Schritt“ versucht umzusteuern, zeigen wir, dass auch in unserer Zeit heute der Geist der Sozialen Verantwortung lebt und dieser Aufgabe ein Profil gibt, dass alle Private Equity Fonds asozial aussehen lässt und ideenreich Lösungen für die Probleme unserer Zeit entwickelt, die dann dem Pflegenotstand den Boden entziehen.

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Digitalisierung in der Pflege, Fluch oder doch lieber Segen

Alle reden von der Digitalisierung in der Pflege, jahrelanger war das Thema ein Stiefkind, jetzt soll alles ganz schnell gehen. Die Bundesregierung will es fördern, wie immer mit Beträgen die dem Haushalt nicht weh tun, aber der Praxis auch nicht helfen. Deshalb kann man nicht darauf warten, bis Politik ein paar „Förder-Euro“ausgeben will. Die Evangelische Heimstiftung in Stuttgart zeigt seit Jahren wie es gehen kann und nimmt z.B. mit seinem Projekt „Aladin in Labor und Praxis“ auch die Menschen mit auf den Weg, sie können die Technik erproben und werden schrittweise herangeführt. Es sind aber viel zu wenige Träger, die so offensiv an das Thema Digitalisierung in der Altenhilfe herangehen.

Eine Vision, die elektronische Bewohnerakte
Träumen wir einmal und stellen uns eine Digitale Welt in der Pflege vor, in der der „gläserne Bewohner“ im Mittelpunkt steht. Gläserner Bewohner, der Begriff schreckt ab, aber digitale Techniken, die die Arbeit der Altenhilfe erleichtern würden, gibt es heute schon. Also nennen wir es eine Vision, dass alle Einrichtungen für jeden Bewohner eine elektronische Bewohnerakte haben, in die alle relevanten Daten einfließen und die als Mittelpunkt eines umfangreichen und aktuellen Daten- und Informationspools dient. Die Daten werden von den Pflege- und Betreuungskräften ebenso wie den behandelnden Ärzten, Physiotherapeuten und administrativen Mitarbeitern zusammengetragen. Die Datenerfassung erfolgt durch die Pflegekräfte mobil, mit Geräten, die mit Kamera und Spracherkennung ausgestattet sind, die Spracherkennung kann außerdem verschiedene Sprachen übersetzen, sodass auch die Kollegen/innen mit Migrationshintergrund es unkompliziert nutzen. Von den Essenwünschen über die ersten Rötungen eines beginnenden Dekubitus bis zu Rückmeldungen z.B. an die Angehörigen, wird alles dokumentiert. Eine weitere Datenquelle ist ein Armband, das der Bewohner trägt, es übermittelt die Vitalwerte und Ergebnisse der jeweiligen Medikamentenbehandlung (Beispiel: www.aparito.com), gleichzeitig ist es auch in der Lage, bei dementen Bewohnern zu signalisieren wenn sie das Haus verlassen. Ein sensorisches Pflegebett misst regelmäßig das Gewicht des Bewohners und gibt sofort einen Hinweis bei problematischen Abweichungen, es wird die Körpertemperatur gemessen und sollte der Bewohner in der Nacht sehr unruhig werden, bekommt der Nachtdienst ebenfalls einen Hinweis. An fest montierten Tablets auf Fluren und öffentlichen Bereichen, sind alle Daten auch überall abrufbar und gegen Missbrauch durch persönliche Identifikation geschützt, bekannt als Kellnerschlüssel von Restaurantkassen.

Digitalisierung kann auch Segen sein
Viele digitale Netzwerke begegnen uns tagtäglich, vom DHL Dienst bis zum Orderman im Restaurant nutzen wir sie für relevante Informationen, die wir zeitnah und an unterschiedlichen Orten abgeben oder erhalten. Also, warum in der Altenpflege Daten schriftlich oder durch eintippen in den Computer zeitaufwendig erfassen und dokumentieren, wobei die Fehlerquote noch hinzukommt. In digitalen Systemen werden die Daten automatisch erfasst, mit dem Armband, im Pflegebett oder alle beweglichen Informationen mit der mobilen Spracherfassung. Die Erleichterungen für die Mitarbeiter sind umfangreich, alle regelmäßigen, gesundheitlichen Checkups werden automatisch zu festen Zeiten, zuverlässig durchgeführt, die Gewichtskontrolle ist automatisiert und viele Wege und zeitlich aufwendige Messungen und Kontrollen, übernimmt dann das System. Konsequenz, z.B. keine Wiegelisten mehr, automatische Gewichtskurven und Signale bei Abweichungen, Blutdruck Kontrollen, oder Diabetiker Werte mit aktuellen Rückmeldungen, aber auch die beteiligten Ärzte erhalten alle gesundheitlichen Messdaten automatisch und können bei Veränderungen zeitnah reagieren, Apotheken liefern die rezeptierten Medikamente, bei einer Krankenhauseinweisung erhält die Klinik automatisch alle wichtigen Daten und die Angehörigen werden, wenn gewünscht, über wichtige Entwicklungen ihres Verwandten sofort informiert und das sind  nur einige der vielfältigen Möglichkeiten. Was für eine Zeitersparnis und wenn mehr Einrichtungen die Systeme nutzen würden, könnten auch Änderungswünsche und weitere Entwicklung schneller umgesetzt werden.

Der Krankenwagen ist besser als die Pferdekutsche
Mitarbeiter in der Pflege finden ihre Motivation für diese Arbeit vielfach in dem zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekt und haben Angst vor technischer Unterstützung. Die Ethik Diskussion gehört deshalb begleitend zu diesem Thema. Es ist eine grundlegende Wende, der die gesamte Altenhilfe sich stellen muss und das verunsichert natürlich auch, denn sonst wäre der Einsatz der Digitaltechnik heute selbstverständlich. Wilhelm II hat einmal gesagt: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Wie froh sind wir heute, wenn der Krankenwagen schnell kommt und wir nicht auf die Pferdekutsche warten müssen. Altenpflege braucht aber unbedingt den nächsten Schritt in die Digitalisierung um diese Technologie in der täglichen Arbeit selbstverständlich zu nutzen. Es muss aber auch ganz klar sein, die Zeitersparnisse sind keine für den Träger verfügbare Masse, die frei werdenden Ressourcen werden ausschließlich für die zwischenmenschlichen Fürsorgeaspekte gebraucht, dann ist auch der Altenpfleger wieder bei seiner Profession .

 

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Meilenweit entfernt von einer Pflegereform

„Die Selbstverwaltung hat versagt“, schreibt Frau Heintze in ihrem Artikel „Meilenweit entfernt von dänischen Verhältnissen“ am 28.5. in der ZEIT. Es ist der Versuch, den Ursachen des Pflegenotstands auf den Grund zu gehen und die deutsche Situation mit guten Alternativen in anderen Ländern zu vergleichen. Warum steht die Pflege heute da wo sie ist? Ist es die Selbstverwaltung der Pflegebetreiber, die eine positive Entwicklung verhinderte, hat man den Bock zum Gärtner gemacht, können andere Länder es besser, vergleicht man vielleicht  Äpfel mit Birnen? Die Entwicklung der Pflege hat sehr viele Aspekte und der reine Zahlenvergleich kann zwar das Verhältnis von Betten zu Pflegekräften in den Krankenhäusern in Relation setzen, beschreibt die Ursachen des Pflegenotstands in der Altenhilfe aber nur zum Teil, denn bis auf die Vermarktung des Gesundheitswesens durch die Politik, hat die Altenhilfe eine andere Entwicklung genommen als der Krankenhausbereich.

Teildienste, Ursache und Wirkung
Mit dem Pflegeversicherungsgesetzt 1995 (SGB XI) und der Föderalismusreform 2006 hat die Politik Weichen gestellt, die die Altenhilfe schrittweise wirtschaftlich ausgehöhlt und so in eine Situation geführt hat, in der der zunehmende Druck auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Lösungsansätze unterschiedlich sein, denn eine bessere Bezahlung und mehr Fachkräfte sind nur ein Teil des richtigen Weges.  Mit der Pflegeversicherung wurde das Selbstkostendeckungsprinzip für die Altenpflege abgeschafft, gleichzeitig war sie aber auch nur eine Teilkaskoversicherung deren festgelegte Leistungen je nach Pflegestufe / Pflegegrad nur einen sehr begrenzten Anteil an den Heimkosten finanzierten. Damit wurden zwar die Ausgaben im SGB XI gedeckelt, aber diese Sparpolitik der öffentlichen Kassen hat zu dem heutigen Pflegenotstand geführt.  War es bis zum Pflegeversicherungsgesetz im Rahmen des Selbstkostendeckungsprinzips noch selbstverständlich, das die Mitarbeiter überwiegend als Vollzeitkräfte beschäftigt waren, haben die knappen Stellenschlüssel dazu geführt, dass die Einrichtungen zur Streckung des Pflegepersonals Tagesdienste teilten oder gleich vermehrt Teilzeitkräfte einstellten, um die Spitzenzeiten im Tagesablauf besser abzudecken und in den „ruhigeren“ Zeiten, wie z.B. in der Mittags- und Nachmittagszeit, Stellen einzusparen. Gab es also vorher jeweils 8 Stunden Früh-, Spät- und Nachtdienste, haben die Leitungen mit dieser Umschichtung begonnen die Spitzenzeiten der Pflege mit Teilzeitkräften für jeweils 3-4 Stunden „auszupolstern“. So waren in den Spitzenzeiten z.B. 4-5 Mitarbeiter bei 30 Bewohnern und in den „ruhigeren“ Zeiten oft nur zwei oder gar nur einer, damit war die Betreuungsarbeit massiv eingeschränkt, oder ganz unmöglich und man erlebte  immer unzufriedenere Mitarbeiter, die mit einer Pflege im Akkord belastet wurden. Die Ausweichreaktionen, wie Frau Heintze die Flucht in die Teilzeit nennt, waren also zugleich Ursache und Wirkung.

Insolvenz oder der Kampf um Qualität
Konnte man letztmalig 1994/95 noch zusätzliches Personal für die Betreuung dementer Bewohner verhandeln, war mit dem SGB XI und den sehr knappen Stellenschlüsseln jede Möglichkeit einer qualitativen Differenzierung in der Pflege fast unmöglich. Pflegesatzverhandlungen wurden ein Kampf um Cent und um die aufwendigen und zeitraubenden Verhandlungen zu umgehen, wurde vielfach nur die für alle Träger festgelegte pauschale Anhebung umgesetzt, womit die bereits entstandenen tatsächlichen Kostensteigerungen nicht abgedeckt werden konnten und die Schere zwischen Kosten und Erträgen immer größer wurde. Einrichtungen und ganze Träger führte das in den Ruin und die Betreiber verkauften ihre Unternehmen, nicht selten an Fondgesellschaften. Die Altenheime und Träger, die diese Entwicklung durchstanden, sind entweder ausgehöhlt und „verbrannt“ und machen ihre Arbeit mehr schlecht als recht, oder sie haben den Kampf mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern aufgenommen und durch konsequente Verhandlungen bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen, kostendeckende Pflegsätze durchgesetzt und mit einer engagierten Mitarbeiterschaft, trotz immer noch knapper Ressourcen, bis heute gute Qualität erbracht. An einem Pflegesatz Vergleich wird die Diskrepanz deutlich, bei der Gegenüberstellung der zwei Einrichtungen ist der Satz für den Pflegegrad 3 ausgewiesen und allein der Ertrag für die reine Pflege ist für einen Pflegebedürftigen im Monat um 1183 Euro höher, womit bei 30 Bewohnern zusätzlich 10 Mitarbeiter bezahlt werden können. (Die Beträge für die einzelnen Sachgruppen sind kalendertägliche Werte)

Pflegesatz  (Pflegepersonal)  85,06 €  47,52 €
Unterkunft (Reinigung, Wäsche, etc.)  16,13 €  12,10 €
Verpflegung (Essen+Zubereitung)  13,03 €  4,52 €
Invest. Kosten (Gebäudekosten)  15,80 €  4,00 €
Ausbildungsvergütung    0,00 €    3,04 €
monatl. (bei 30,42 Berechnungstagen)  3.775,73 €  2.165,30 €

Gerade aber diese Tatsache hat dazu geführt, dass viele Einrichtungen den Konkurrenzkampf über die Preise fürchteten und damit ihre Qualität immer schlechter wurde, die Mitarbeiter ausgelaugt sind und vielfach nicht mal mehr eine Pflege, die man als „satt und sauber“ bezeichnen kann, erbracht wird. Das Ergebnis ist bekannt, es ist der Pflegenotstand. Viele der Leitungen dieser Einrichtungen haben diese Entwicklung auch dadurch noch gefördert, indem sie den Druck ungebremst an die Mitarbeiter weitergegeben haben.

Meilensteine für eine positive Entwicklung
Deshalb sind 13000 zusätzliche Stellen ein Witz (pro Einrichtung eine), und Augenwischerei, denn die Altenpflege muss grundlegend reformiert werden und ein paar zusätzliche Stellen gehen meilenweit an der Realität vorbei. Der Anfang einer grundlegenden Reform muss neue, für alle verbindliche Stellenschlüssel festlegen, am besten ohne eine Differenzierung nach Pflegeraden. Der nächste Schritt ist ein einheitlicher, flächendeckender Tarifvertrag, der eine gleiche Bezahlung für alle Pflegekräfte garantiert und beide Maßnahmen müssen selbstverständlich über die Pflegesätze finanziert werden. Die Teilkaskoversicherung im SGB XI muss aufgehoben werden, denn die Kostensteigerungen darf man nicht auf die Bewohner bzw. ihre Angehörigen abwälzen. Als übergreifenden Qualitätsbaustein kann nur die Ergebnisqualität die Grundlage für zukünftige Prüfungen sein, sie ist ein wichtiger inhaltlicher Punkt, deren Einhaltung durch eine gut ausgestattete Heimaufsichten vor Ort zu begleiten und zu kontrollieren ist. Die MDK Prüfungen haben in den Jahren ihrer Existenz viele Kosten verursacht, die Mitarbeiter administrativ gebunden und nichts bewirkt, sie gehören abgeschafft.              Das sind die wichtigsten Meilensteine einer wirklichen Pflegereform, ergänzt um den Hinweis von Frau Heintze, dass es eine Frage sein wird, „ob die Regierung willens ist, dem Renditedenken in der Kranken- wie Altenpflege die Grundlage zu entziehen“. Die Fakten liegen alle auf dem Tisch und Herr Spahn betont immer wieder, dass er verstanden hat, jetzt müsste er einen Prozess einleiten, der diese Meilensteine umsetzt; es ist aber zu befürchten, dass das beschriebene Paket viel zu groß ist und die dafür benötigten Gelder in andere Bereiche fließen. Die Schwächsten in dieser Gesellschaft bleiben wieder auf der Strecke. „Sehr alt und pflegebedürftig zu werden, darf in Deutschland keine Horrorvorstellung werden“, sagt Diakonie Präsident Lilie, aber das wird unter diesen Umständen kaum zu verhindern sein.

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Gut, dass wir drüber gesprochen haben!

Frau Illners Parforceritt durch die Themen Pflege, war ein Versuch auf die Frage „Ist die Pflege noch zu retten“ Antworten zu finden. Um es vorweg zu nehmen, Vorschläge kamen von Betroffenen, aber die Politik war sehr zurückhaltend, was man schon als ein „nein“ bewerten muss.

Drei engagierte, selbstbewusste Frauen berichteten eindrucksvoll über ihre Erfahrungen mit der ambulanten Versorgung ihrer Mütter, Väter, Männer und forderten verbal geschliffen finanzielle und administrative Verbesserung von Herrn Spahn. Die Aussage von Frau Biberti, dass Angehörige super Experten sind, die nur das Geld benötigen, geht allerdings weit an der Realität vorbei, da gerade viele ambulante Pflegedienste erleben, wie schlecht und oft unterversorgt Pflegebedürftige zu Hause sind, weil ihre Angehörigen zwar das Pflegegeld kassieren, aber wenig tun. Leider wurde das nicht thematisiert.                                                     Mit der Aussage, dass „die Würde im Heim überall verletzt wird“, wechselte Frau Illner zur Heimpflege und hatte auch die entsprechenden Negativbeispiele dafür. Herr Spahn versuchte noch die Ehre vieler engagierter Pflegekräfte zu retten, aber den tatsächlichen Personalnotstand in vielen Heimen kann man nicht schön reden. Zur Sprache kam aber leider nicht und deswegen stimmt die Aussage von Frau Illner auch nicht, dass es Einrichtungen und Träger gibt, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt steht, die gute Konzepte, gute Mitarbeiter und auskömmliche Pflegesätze haben und beweisen, dass Pflegebedürftige sich dort wohl und gut behandelt fühlen. Diese Häuser könnten Vorbild sein und mit ihrer gelebten Praxis als Beispiel dienen, wohin sich schlechte Pflegeheime verändern müssen.               Herr Bollinger hat eine grundlegende Systemänderung angesprochen, die von allen unabhängigen Fachleuten auch gefordert wird.  Der bürokratische Aufwand der langwierigen Einstufungsverfahren in die Pflegegrade könnte abgeschafft werden, um dafür für alle Pflegebedürftigen im Heim den gleichen Satz zu bezahlen. Dann würde die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des einzelnen Menschen wieder im Mittelpunkt stehen, ein kluger Ansatz. Herr Jorde wird nach seiner Ausbildung sicher ein engagierter Funktionär oder gar Politiker, denn sein kämpferischer Ansatz bringt die Probleme auf den Punkt.                                                                                        Leider hat die Redaktion Frau Illner mit den Pflegerinnen aus Polen ein Ei ins Nest gelegt, denn es macht keinen Sinn in einer solchen Sendung auch noch mit den „legitimen Pflegesklaven“ aus den Osteuropäischen Ländern Reklame zu machen, weil sie in zu vielen Haushalten ausgebeutet werden. Zum Schluss wurde noch das Hausgemeinschaftsprinzip gepriesen, dass es in vielfältiger Form seit Jahren in der Pflege gibt, auch nicht neu ist und vor allem von engagierten Angehörigen lebt, aber Herr Pfister verkauft es am besten. Das Frau Kipping zwischendurch eine Aufwertung des Berufs Pflege, mehr Geld, eine bessere Bezahlung und schnelleres Handeln der Politik forderte, waren keine neuen Erkenntnisse und ergänzte die Aussagen in der Runde nicht wesentlich, lediglich die Tatsache, dass Pflege zum Markt für Renditejäger geworden ist, war wichtig und sollte die Politik auf den Plan rufen.

Bleibt zum Schluss die Frage: Ist die Pflege nun zu retten? Nein, Herr Spahn hat die Probleme zwar erkannt, weist aber auf die Kostensteigerungen der letzten fünf Jahre um 50% von 24 auf 36 Milliard. Euro hin und erklärt wiederholt, welche Bausteine doch jetzt schon in der Pflegeversicherung zur Verfügung stehen. Seine eigentliche Aussage aber macht es deutlich, „ich werde nichts versprechen, was ich nicht halten kann“. Ein ehrlicher Hinweis, dass Politik die Pflege nicht retten wird, aber es ist gut, dass wir mal darüber gesprochen haben.

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Pflegekammern: Viele Köche verderben den Brei!

Der Ruf nach Pflegekammern, besser Pflegeberufekammern, vermittelt im Augenblick den Eindruck, dass sie eine Möglichkeit seien, den Pflegenotstand besser bei den Politikern zu platzieren. Natürlich ist es gut, wenn Fachleute eines Berufsstandes sich solidarisieren und in einem organisierten Rahmen austauschen um Qualität und Ethik ihres Berufes zu diskutieren und Standards festzulegen. Bis diese Kammern aber arbeitsfähig sind, müssen sie erst einmal aufgebaut werden, sie müssen auf Länderebene organisierte werden und das bedeutet: sechzehn Länderkammern, mit sechzehn Organisationen, die, wenn sie überhaupt politisch Einfluss nehmen wollen, einen bundesweiten Zusammenschluss brauchen. Es gibt aber jetzt schon eine Fülle von Organisationen und Verbänden zum Thema Altenpflege, die jeweils für sich in Anspruch nehmen, ihre Mitglieder zu vertreten, aber kaum erfolgreich sind, sonst hätten wir keinen Pflegenotstand!

Ein kurzer Überblick über die Verbandsvielfalt: Als größte Interessenvertretungen Sozialer Arbeit in Deutschland und damit auch der Altenhilfe, ist die Freie Wohlfahrtspflege zu nennen, deren sechs Mitgliedsverbände in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengefasst sind. Diese sechs Mitglieder sind: 1. Arbeiterwohlfahrt (AWO), 2. Deutscher Caritas Verband (DCV), 3. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband- DER PARITÄTISCHE, 4. Deutsches Rotes Kreuz (DRK), 5. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW der EKD), 6. Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt). Sie alle sind in Berlin akkreditiert und sprechen mit den Politikern, leider mit sehr wenig Einfluss. Zu jeder dieser Organisationen gehören dann noch  eigene Fachverbände. Da gibt es z.B. den -Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland e. V. (VKAD)-, oder -Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP)-, um nur die zwei größten zu nennen, auch die versuchen mit ihren Vertretern Lobbyarbeit zu machen. Neben der Gruppe der Karitativen Träger, werden über 40 Prozent der Altenheime auch von privaten Anbietern betrieben, diese lassen sich in eigenen Organisationen vertreten, wie z.B. dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) oder dem Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB). Für die Mitarbeiter in der Pflege gibt es darüber hinaus noch eine Fülle von Berufsverbänden, sechzehn von ihnen haben sich im Deutschen Pflegerat zusammengeschlossen, der für sich ganz besonders in Anspruch nimmt, die Pflegekräfte zu vertreten. Ihr langjähriger Vertreter in Berlin war übrigens Herr Westerfellhaus, jetzt Pflegebeauftragter bei Herrn Spahn. Dann gibt es noch div. Arbeitgeberorganisationen und natürlich auch die Gewerkschaften. Also eine fast unüberschaubare Fülle auch untereinander konkurrierender Interessenvertretungen allein für die Altenhilfe. In hunderten von Fachgruppen, Gremien, Ausschüssen und Vorstandssitzungen wird seit Jahren in diesen Verbänden viel diskutiert und beraten, aber es gibt keine klare Linie, die die Probleme und Notwendigkeiten für eine gute Pflege über die Vielfalt der Institutionen hinaus an einer Stelle zusammenführt. Auf Grund von Interessenkonflikten, Machtansprüchen, Vertretungsrechten beschäftigen sich die Mitglieder in diesen div. Systemen vielfach mit sich selber und haben kein gemeinsames Ziel und somit leider kein starkes und geschlossenes Auftreten gegenüber der Politik.

Schön wenn die Fürsprecher und Mitstreiter für die Pflegekammern jetzt hoffen, dort eine Lücke schließen zu können. Es werden sich sicher interessante Gesprächskreise bilden, aber es ist zu vermuten, dass die zigste Interessenvertretung für Pflege nur ein weiteres Steinchen im Konglomerat des riesigen Kieshaufens der Interessenvertretungen Pflege sein wird. Für die Politik ist das gut, solange sich diese Organisationen mit sich selber beschäftigen, bleibt der Druck auf sie schwach. Pflege braucht aber einen starken, zentrierten Druck auf die Politik, damit sich etwas grundlegendes ändern kann und die Politiker spüren, dass sie mit Kompromissen nicht mehr weiter kommen. Es gibt wirkungsvollere Möglichkeiten auf die Probleme der Pflege aufmerksam zu machen, z.B. das geschlossene Auftreten aller Pflegekräfte, wie nennt man das noch…?.

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Best practice, mehr Geld, gute Gehälter, mehr Personal!

Pflegeheime haben eine gute Chance die Personalprobleme in der Altenpflege selber positiv zu beeinflussen, denn wenn sie darauf warten, dass Politik die Probleme des Pflegenotstands löst, werden Jahre vergehen. Also jetzt ran und Pflegesätze verhandeln, die die vorgegebenen Stellenschlüssel ausschöpfen und Tariflöhne refinanzieren. Wir alle kennen die Ursachen des Pflegenotstands, das sind vor allem überforderte, ausgebrannte und schlecht bezahlte Mitarbeiter. Die Umkehrung ist dem zufolge eigentlich logisch, die zur Verfügung stehenden Personalschlüssel müssen in der Pflege realisiert und die Mitarbeiter nach Tarif bezahlt werden. Ja, natürlich einfacher gesagt, als getan, aber wenn es einfach wäre, hätten es sicher viele Träger auch längst gemacht. Was ist zu tun? Die Pflegesätze quer durch die Bundesrepublik weisen sehr große Differenzen auf, die Träger mit niedrigen Pflegesätzen müssen also ihre Beträge an die höheren anpassen. Vergleichen wir die Sätze von zwei Einrichtungen für den Pflegegrad 3, mittlere Stufe, in der ein großer Teil der Pflegebedürftigen eingestuft ist, miteinander:

Einrichtung   A Einrichtung B Differenz  B zu A
Monatl. Entgelt über Alles

2165,13 €

3985,92 €

1820,64 €

Anteil Pflegeentgelt

1445,56 €

2301,58 €

856,02 €

Anteil Unterkunft u. Verpflegung

505,58 €

1151,70 €

646,12 €

Tägl. Satz für Verpflegung

4,52 €

16,47 €

Die Differenz zeigt sehr deutlich worum es geht. Einrichtung B kann mit ihren Erträgen aus dem Pflegeentgelt viel mehr Personal für die Pflege einstellen. Einrichtung A finanziert mit ihrem Betrag z.B. für eine Pflegegruppe mit 30 Bewohnern 10,7 Stellen, Einrichtung B kann bei gleicher Bezahlung hingegen aus ihrem Pflegeentgelt für eine gleich große Gruppe 19,8 Mitarbeiter beschäftigen. Das heißt B kann fast doppelt so viele Mitarbeiter finanzieren wie A. (Übrigens, bei Einrichtung A würde ich gerne mal schauen, was es für 4,52 Euro am Tag zu Essen gibt). Die Konsequenz kann also nur sein, die Pflegesätze neu zu verhandeln und bei diesen Verhandlungen auf den vorgegebenen Stellenschlüsseln und einer tariflichen Bezahlung zu bestehen. Die gesetzlichen Vorgaben dafür sind da und wenn alle es machen würden, entstände auch der notwendige Druck bei der Politik, für die Finanzierung zu sorgen.

Träger und Einrichtungen, die seit Jahren erfolgreich eine konsequente Pflegesatzpolitik betreiben, beweisen, dass hohe Pflegesätze und eine gute, qualitative Arbeit zusammen passen und sie beweisen, dass Mitarbeiter in ihren Häusern eine bessere Arbeitszufriedenheit haben, die Krankheitsquoten geringer sind und sie auch besser Personal finden. Dazu gehört allerdings außerdem eine positive Leitungsphilosophie, die auf Motivation und nicht auf Druck setzt. Packen sie es an, es lohnt sich für motivierte Mitarbeiter zu kämpfen, die mehr Zeit für ihre Bewohner haben.

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