Politik und der Pflegenotstand

„Nicht nur streikende Pflegekräfte und ein mutiger junger Pflegeschüler in der „Wahlarena“ der ARD haben der bisherigen Regierungspolitik die Rote Karte für den Pflegenotstand gezeigt. Über die Defizite in der Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf wird auch fast täglich in den Medien berichtet.“ Zitat aus dem Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom Januar 2018. „Sofortprogramm gegen den Pflegenotstand in der Altenpflege“ BT-Drs. 19/79

Schielt eigentlich Politik nur noch auf die öffentliche Meinung und orientiert ihr Handeln an den medienwirksamen Schlagzeilen. Ich habe immer gedacht, Handeln richtet sich nach Notwendigkeit, Sachverstand und Werten. Der Pflegenotstand ist eine von der Politik gemachte Notlage, die Entwicklung zeigt seit Jahrzehnten, wohin die Reise geht und aus der Notlage ist nun ein massiver Notstand geworden.

In einer Auswertung von 12 Heimen, habe ich 2013 dokumentiert, dass von diesen 12 gut geführten Pflegeeinrichtungen 4 bereits mit dem Fachkräfteanteil von 50% kämpften, d.h. zum Teil auch mal darunter lagen. Für die ca. 1000 Pflegebedürftigen dieser Einrichtungen standen über alle Pflegestufen hinweg, trotz einer kompletten Besetzung aller Stellen nach Stellenschlüssel, für jeden Bewohner im Durchschnitt 1 Stunde und 45 Minuten an Zeit innerhalb von 24 Stunden für die Pflege zur Verfügung, incl. Dokumentationen, Übergaben, Arzt- und Angehörigengespräche. Alle Hinweise und Diskussionen in Fachgremien, bei Pflegesatzverhandlungen oder Besuchen von Politikern, waren wirkungslos. Die Anzahl der Ausbildungsplätze noch weiter zu steigern, als sie damals schon vorhanden waren, traf bei den jeweiligen Landesregierungen auf verschlossene Ohren, vielmehr brüsteten sie sich damit, dass doch schon so viel getan worden sei.

Ja, es geht uns in diesem Land gut und trotzdem gibt es eine Fülle von Problemen, die gelöst werden müssen und dazu gehört eine menschenwürdige Versorgung von hilflosen, alten, dementen, pflegebedürftigen Menschen zu sichern, die nicht für sich selbst sprechen und sich einsetzen können, unsichtbar für die breite Öffentlichkeit, zu einem großen Teil unterversorgt, medizinisch in hohem Masse vernachlässigt und emotional isoliert vor sich hin vegetieren. Nein, das ist keine Dramatik und auch kein Pessimismus, das ist an viel zu vielen Stellen Realität. Diese Realität führt heute zu den bekannten hohen Krankheitsquoten der Mitarbeiter in der Pflege, zu massiven Aussteiger Zahlen, zu Heim Schließungen wegen Personalmangel und, und, und. Gut geführte Einrichtungen, mit einer Kommune im Rücken, die menschenwürdige Pflege will und die Mitarbeiter nach Tarif bezahlt, zeigen, dass es geht. Leider sind das Einzelfälle, die aber als Vorbild für dringend notwendige Veränderungen dienen könnten. Politiker verstecken sich hinter faulen Kompromissen, die sie wortgewaltig und mit viel Medienwirbel verkaufen, denn die Menschen, die sich nicht wehren und keinen starken Lobbyverband haben, der sie einlullt und hofiert, haben sie längst aus den Augen verloren, das ändert auch kein 90 minütlicher Besuch im Altenheim.

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2 Gedanken zu „Politik und der Pflegenotstand“

  1. Hallo zusammen mein Name ist Karl Weiss ich bin an einem tödlichen Hirntumor erkrankt und derzeit im Hospiz nach allem was ich bisher erlebt habe sehe ich den Pflegenotstand als hochevident und Gesellschaftliches Kardinalproblem an hat jemand Lust sich mit mir in Verbindung zu setzen um dieses Thema weiter voranzutreibenIch habe dazu bereits in einer Klinik einen Film gedreht den ich gerne veröffentlichen würde finde aber keinen Zugang im Moment außer meine privaten Kontakte Ich habe dazu bereits in einer Klinik einen Film gedreht den ich gerne veröffentlichen würde finde aber keinen Zugang im Moment außer meinen privaten Kontakte ich befürchte das wir in wenigen Jahren einen Pflegenotstand haben den wir ähnlich wie mit der Klimafrage nicht mehr in Griff bekommen und uns alle anschauen werden und sagen wie konnte das passieren das passiert durch viel Geplapper und wenig Aktionismus geschweige denn Action die in politische Erfolge umgemünzt werden deswegen gibt es auch zunehmend Pflegekräfte die das sinkende Schiff verlassen und sagen Sie haben keine Lust mehr sich von Politikern Versprechungen machen zu lassen die nicht eingehalten werden meine Lösung könnte sein die Politiker direkt anzusprechen mit Zeitungsartikeln und dem Film die ich erstellt hab ich würde mich freuen wenn sich jemand meldet und wir gemeinsam eine Strategie entwickeln können wie wir den Pflegenotstand die Situation der Pflegekräfte auf ein Niveau heben aus dem dann auch mutige und beherzte Schritte seitens der Politik entstehen liebe Grüße Karl Weiss

    1. Hallo Herr Weiss,
      sie treffen den Nagel auf den Kopf. Der Pflegenotstand ist ein über Jahre, besser Jahrzehnte gewachsenes Problem.
      Dreiundzwanzig Jahre habe ich die Entwicklung hautnah erlebt. Als Leiter von Pflegeheimen war ich mit den schlechten Personalschlüsseln und fehlenden Finanzmitteln ständig konfrontiert. Die Lobbyarbeit, in die ich auch zeitweit eingebunden war, hat uns nicht weitergebracht. Um es auf den Punkt zu bringen, es geht um Geld, also eine bessere Finanzausstattung für eine gute Personalausstattung, und da fehlt der politische Wille, aber auch ein starkes, gemeinschaftliches Auftreten der Pflegekräfte gegenüber der Politik. Ein sehr komplexes Themenfeld. Wenn sie meine Beiträge über die letzten Jahre lesen, bekommen sie einen umfassenden Eindruck.
      Ich finde ihr Engagement sehr gut, bleiben sie dran. Was jetzt im Rahmen eines Regierungswechsel helfen würde, wären starke Persönlichkeiten im Gesundheits- und Arbeitsministerium, die offensive, ganzheitliche Entscheidungen für eine positive Veränderung herbeiführen. Schreiben sie dorthin, wenn Betroffene sich zu Wort melden ist das immer sehr hilfreich.
      Alles Gute für sie und bleiben sie stark.
      Herzliche Grüße Friedhelm Schrey

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