Im Teufelskreis des Pflegenotstands

“Ich hatte mich nicht getraut zu klingeln, sie haben so viel zu tun, da möchte ich sie nicht belästigen.“ – Patienten liegen in eigenen Ausscheidungen, trauen sich aber häufig nicht mal zu klingeln. Was sagt uns das? PFLEGENOTSTAND! Diese und eine Fülle ähnlicher Erfahrungen, berichten Pflegekräfte aus Krankenhäusern und Altenheimen und vermitteln ein Gefühl dafür, was hinter den verschlossenen Türen der Pflege tagtäglich passiert. Wie viel freie Stellen in der Pflege sind unbesetzt, wie viel Fachkräfte werden bis zum Jahr 2030 oder 2050 auf der Grundlage der demografischen Entwicklung zusätzlich gebraucht, die Zahlen überschlagen sich in Zeitungsberichten und Talkshows, sie dokumentieren den aktuellen und zukünftigen Pflegenotstand, wenn jetzt nicht mit aller Kraft gegengelenkt wird.

Was passiert?
Herr Spahn verkündet Abhilfe, die nicht einmal die gegenwärtige Not  auch nur ansatzweise lindern könnte, geschweige denn beheben, Träger-Verbände und Berufsorganisationen, die seit Jahren die Entwicklung sehen, werden zwar lauter, aber trauen sich nicht die Politik in aller Konsequenz in die Pflicht zu nehmen und die Pflegekräfte engagieren sich für  Pflegkammern und werden für einige Zeit mit deren Aufbau beschäftigt sein, wobei sie gleichzeitig allen Pflegekräften erklären müssen, dass das eine Zwangsmitgliedschaft mit den entsprechenden Beiträgen ist.

Warum gibt es keinen Aufstand?
Warum wird der Pflegenotstand schon fast zu einer alltäglichen Situation, der zwar alle aufregt und zu Protestnoten herausfordert, aber es ändert sich nichts. 13.000 Stellen ab 2019, ein sogenanntes Sofortprogram ab 2020 und der Circulus virtuoses dreht sich weiter und weil man ihn auch eine Abwärtsspirale nennt, wird die Situation immer schlimmer, denn der Status Quo wird ja nicht bis 2019 oder 2020 warten. Am 1.2.18 schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung „Warum gibt es keinen Aufstand? Warum ist der Pflegenotstand ein alltäglicher Zustand? Er schreit zum Himmel; die Behandlung der alten und der dementen Menschen gleicht bisweilen einer Bestrafung dafür, dass sie so alt geworden sind. Ist das Altwerden eine Schuld, die Sanktionen nach sich ziehen muss, die in Pflegeheimen vollstreckt werden? Die Erklärung der bisweilen grausigen Zustände, die in so manchen Heimen herrschen, gelingt nur einem solchen Zynismus“.

Die Bankrotterklärung des Staates
Deutschland ist eine führende Wirtschaftsmacht in dieser Welt, und die Menschen, die dieses Land mit aufgebaut haben, werden, wenn sie hilflos, pflegebedürftig und damit „unproduktiv“ werden, zu einem Kostenfaktor, den man möglichst niedrig halten muss. Der Teufelskreis Pflegenotstand ist zugleich die Bankrotterklärung des Staates an seine Bürger: Wehe wenn du pflegebedürftig wirst, pass gut auf, dass du nicht zu viel kostest, oder denk besser schon mal darüber nach, wie du das selber lösen kannst. Dieser Teufelskreis führt immer stärker in den Suizid und Politik erklärte zum neuen § 217 StGB  2015 ihre Verantwortung für das Gesetz mit dem „Menschlichen Leben“ und der individuelle Entscheidungsfreiheit. Wie viel Wert hat diese Begründung, wenn man die Unfähigkeit der Politiker betrachtet, ein vernünftiges Pflegekonzept zu entwickeln. Der Protest gegen diese Situation ist viel zu leise und viel zu freundlich, warum gehen nicht alle auf die Straße und nicht eher nach Haus, bis sich grundlegend etwas ändert. Warum? Dieter Hildebrandt, gest. 2013, hat auf diese Frage geantwortet: „Die einen können es nicht mehr – und die anderen wollen nicht daran denken, dass sie am nächsten Tag selbst betroffen sein könnten.“ Der Teufelskreis muss durchbrochen werden!

 

 

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