Altenpflege braucht unbedingt mehr medizinische Kompetenz

Ambulant vor Stationär, Angst vorm Heim, verschiedene Aspekte haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass die Stationäre Altenhilfe überwiegend Pflegebedürftige versorgt, die unter einer hochgradigen Multimorbidität leiden und vielfach im Endstadium ihres Leidenswegs angekommen sind. Das Politik dieser Tatsache nie durch die entsprechenden Gesetze, Personalschlüssel und Finanzen Rechnung getragen hat, ist eine hochgradige Dramatik und Ursache des Pflegenotstands, aber konnten die Träger sich auch mit der fachlichen Kompetenz ihrer Mitarbeiter darauf einstellen?

Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, versucht man wieder verstärkt Mitarbeiter aus anderen Ländern zu integrieren. Vor diesem Hintergrund arbeiten verschiedene Träger mit der Fachhochschule Fulda zusammen, um neue Wege zur Integration dieser neuen Fachkräfte zu finden. Dazu weist die Fachhochschule in einem Artikel u.a. auch auf die Problematik der unterschiedlichen Qualifizierungen hin, die bei den Integrationsbemühungen überwunden werden müssen und schreibt dazu: „Ein Beispiel macht die schwierige Aufgabe anhand der Pflegeorganisation und des Pflegeverständnisses deutlich: Internationale Pflegefachkräfte sind in der Regel in der Krankenpflege qualifiziert. In den meisten Staaten der Europäischen Union und in sogenannten Drittstaaten gibt es keine der deutschen Altenpflegeausbildung vergleichbare fachliche Bildung, da üblicherweise die Ausbildung akademisches Niveau besitzt. In vielen Staaten existieren zudem Besonderheiten in der Pflege, die in Deutschland unbekannt sind, etwa die Versorgung von Patientinnen und Patienten durch Angehörige. Über das, was Pflegetätigkeit ausmacht, bestehen folglich ganz unterschiedliche Vorstellungen. Zu spüren bekommt das vor allem die Altenpflege. Nicht selten fühlen sich die internationalen Kräfte hier nicht entsprechend sachverständig und wechseln lieber in die Krankenpflege“. Daraus wird die berechtigte Sorge deutlich, dass zu qualifiziertes Personal schwieriger zu integrieren ist.

Im Jahr 1994 wurde von mir in einer neu gebauten Altenpflegeinrichtung eine Krankenschwester mit mehreren Jahren Berufserfahrung als Leitung einer Wohngruppe mit 40 Bewohnern eingestellt. Die Dame hatte ein sehr gutes Organisationstalent und war fachlich versiert. Ihr Anspruch an eine individuelle Pflege kam bei den Bewohnern sehr gut an, die Krankenhauseinweisungen gingen auf ein Minimum zurück, die behandelnden Ärzte waren sehr froh, das sie eine Ansprechpartnerin auf Augenhöhe hatten, sodass die Leistungen in der Behandlungspflege gut durchgeführt wurden und die Krankenschwester sogar einigen Altenpflegerinnen noch das eine oder andere Medizinische Thema vermitteln konnte. Nach 15 Monaten kam sie zu mir und legte ihre Kündigung auf den Tisch. Ihre Begründung war der gestiegene unterschwellige Widerstand der Altenpfleger/innen gegen ihre Medizinischen Kompetenzen. Ich sprach mit den Mitarbeitern und erhielt als Antwort, dass sie sich nicht mehr als Fachkräfte fühlten, weil die Kollegin doch „alles Besser wüste“. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass eine gute medizinische Versorgung auf der Grundlage der entsprechenden Kompetenzen im Zusammenwirken mit einer guten Pflege, unerläßlich sind. Keine Statistik und keine Untersuchung zeigt wirklich deutlich, wie unterversorgt zu Pflegende diesbezüglich oft sind, massiv leiden müssen und sterben. Diverse Untersuchungen der Krankenkassen beweisen das und die „Welt“ titulierte im Sommer 2016 „Viele Fehler aus dem Pflegealltag bleiben im Dunklen“.

Altenpflege braucht medizinische Kompetenz, die weiter zunehmenden massiven körperlichen Beeinträchtigungen der Bewohner lassen keinen anderen Schluss zu. Das neue Pflegeberufegesetz hat den richtigen Ansatz, leider ist die Differenzierung im 3. Jahr zur Altenpflege zu anspruchslos ausgefallen und vor diesem Hintergrund werden sich die engagierten Auszubildenden eher für die Krankenpflege als für die Altenpflege entscheiden. Daraus gibt es nur die Schlussfolgerungen: Das Gefälle zwischen Alten- und Krankenpflege muss überwunden werden, Altenpflege und Krankenpflege muss zusammen wirken, in der Altenpflege müssen selbstverständlich die gleichen Gehälter wie in der Krankenpflege bezahlt werden, die Pflegekräfte müssen unbedingt aus allen peripheren Tätigkeiten, wie Küche, Wäsche, Reinigung, etc. heraus gehalten werden, die Wertschätzung der Altenpflege findet auf dem gleiche Niveau wie die Krankenpflege statt und an die Fachkräfte gerichtet: ein/e Kollege/in, der/die mehr weiß, ist eine Bereicherung und keine Konkurrenz.

 

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